Man stelle sich mal vor, eine nette Person, nennen wir sie "Perchfishin' J", würde einen Salon eröffnen, mit dem ausdrücklichen Zweck, dass man sich dort über das Spinnangeln unterhielte. Gewisse Regeln würden vorgegeben, zum Beispiel, dass keine Bilder toter Fische herumgezeigt würden, dass man sich bitte nicht gegenseitig beleidigen und dass man Unterhaltungen über bestimmte Themen nur an bestimmten Tischen führen möge.
(Ein spezieller Tisch wird dabei für den Angelshop-who-must-not-be-named reserviert - eigentlich ein kleiner, hässlicher Tisch, aber die Leute dort haben echt gute Laune, und es ist immer brechend voll... -sorry, konnte ich mir nicht verkneifen
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Tja, jedenfalls dürfen in den Club zwar alle möglichen Typen rein, aber wer auch was sagen will, der muss sich anmelden, und bekommt so'ne Art Velcro-Weste angezogen. Sieht komisch aus, aber is halt so. Andere angemeldete Mitglieder dürfen, wenn sie die Unterhaltung als bereichernd empfinden, dort so lustige grüne Klettpunkte ranpappen, oder auch wieder wegnehmen. Nur nicht zu viele auf einmal, und jedes andere Mitglied darf für jede Äusserung, die ein anderes Mitglied macht, nur einmal mit den Punkten spielen. Natürlich muss man, damit sich die Leute nicht permanent gegenseitig die Punkte mopsen oder zuschustern, seine Punkte etwas streuen, und darf einem Mitglied erst wieder an die Weste, wenn er zwischenzeitlich an 5 anderen Westen rumgefummelt hat. Achso - und natürlich zählt die Weste auch mit, wie oft sich jemand zu Wort gemeldet hat, da steht dann immer 'ne aktuelle Zahl drauf.
Klappt meistens ganz gut. Aber manchmal, eigentlich bloß so alle paar Jahre mal, da gibt's richtig Stunk. Da kommen manchmal auch Typen ins Haus und labern und labern und labern. Viele Angler, die dort schon etwas länger unterwegs sind, kriegen ziemlich schnell mit, dass da gaaaaanz viel heiße Luft ausgepustet wird. Erfahrungswerte werden natürlich belächelt, steile Thesen werden aufgestellt, vollkommen schräge Ratschläge werden erteilt, gelegentlich immerhin auf Basis von purem Katalogwissen. Und die Zahl der Wortmeldungen wächst und wächst und wächst. Und laut wird es, laut. Oft setzt man sich an einen Tisch und will der Unterhaltung lauschen, und plötzlich kommt so'n Typ und quäkt im Brustton der Überzeugung seine "Weisheiten" in die Runde. Die ganzen neuen Leute im Haus, die schauen vielleicht darauf, wie oft der Typ schon was gesagt hat, und sind dann wahnsinnig beeindruckt von der puren Anzahl an Wortmeldungen. Aber zum Glück können sie ja auch noch seine Weste sehen - und auf der sind nun nur sehr, sehr wenige grüne Punkte zu sehen, vielleicht ein paar rote.
(Klar, die roten Punkte sind da nur, weil ein fachkundiges, beliebtes, aber leider auch sehr ruppiges Ex-Mitglied, das seiner mangelnden Umgangsformen wegen zum großen Bedauern vieler anderer des Salons verwiesen wurde, eine Regellücke ausgenutzt und echt 'ne Menge Punkte gemopst hat. Man kann allerdings nicht behaupten, dass er dies grundlos oder ohne Provokation gemacht hätte. Nett war's natürlich nicht.)
Un nu - der Typ mit der so gering bepunkteten Weste lässt keine Gelegenheit aus, immer wieder darauf hinzuweisen, dass ein solches Punktesystem ja wirklich schrecklich sei - er fühle sich so eingeschränkt in seiner Bewegungsfreiheit inner- und ausserhalb (warum auch immer...) des Salons. Man solle dies doch bitte abschaffen, es befördere ja nicht das Engagement im Salon (wobei man dies natürlich auch anders lesen könnte - er befürchte, für noch lauteres und häufigeres Sprechen, das den anderen Mitgliedern mißfallen könnte, grausamst mit weiterem Punkteentzug gestraft zu werden.) Schliesslich könne man Differenzen doch auch sprachlich klären - womit vermutlich gemeint wäre, dass der, dem das ganze Palaver nicht irgendwann einfach zu blöd wäre, das letzte Wort haben solle.
Tja, und wenn man sich vielleicht durch das permanente Gelaber gestört fühlt, und mal die Tatsache anspricht, dass das Auftreten und die unangenehm laute Sprechweise des von sich selbst so überzeugten selbsternannten Experten im Salon vielleicht nicht ganz unschuldig an der geringen Punktanzahl seien, dann wird natürlich darauf hingewiesen, dass die bloße Tatsache, dass seine Redeweise von einigen (natürlich nur gaaaaanz wenigen) als zu hochtrabend empfunden werde, kein Grund für den Typen sei,
sein sprachliches Niveau, das seine Persönlichkeit ja ausmache, zu verlassen. Sicherlich wäre dies auch ein arger Abstieg.
Was tut man nun in so einer Situation? Wie kann man einem solchen Kunden beibringen, dass man vielleicht einfach damit leben muss, wenn man den Salon frequentieren möchte? Dass es nicht nötig ist, das Renommeesystem immer wieder zu torpedieren, weil es im Grunde nur anzeigt, wie man im Salon ankommt? Dass es nichts darüber aussagt, was für ein toller Angler man ist, aber viel darüber, wie man sich in eine soziale Gruppe integriert?
Wenn ick in so'n Salon jinge, würde ick mir wohl über die Punkte, die mir von Jesprächspartnern, die ick selber als anjenehm, kompetent, unterhaltsam erlebt habe, uffrichtich freuen. Ick würde mir allerdings ärgern, wenn mir von eben diesen meene Punkte von der Weste jemopst würden. Und dann würde ick wohl übalejen - sind die alle doof und nur ick hab recht - dann müsste ick ja mal den Salon verlassen, oder is da vielleicht irjendwie wat dran. Reicht's so weit?
Bei allen am Tisch Anwesenden entschuldije ick mir für diesen Monolog. War mir aber 'n Bedürfnis, ick hoffe, ick hab euch nicht zu sehr jelangweilt.
Edit: Orthokrafie, sowie Absätze, teils kursiv, damit
@Meridian die Textwand besser bewältigen kann...
