Meeresräuber Von harten Drills und weichen Handgelenken – Lightpilken auf große Köhler



Mitte Mai und mitten auf dem kleinen Fjord ca. 100 km südlich von Bergen/Norwegen. Beim Dorschpilken vor einem Plateau drifteten Felix, Floze und ich für unseren Geschmack etwas zu weit ab. Also holten wir so schnell es ging die Pilker hoch. Der Motor war schon gestartet. Als die Köder auf ca. 30 m Tiefe angekommen waren, knallte es zuerst links, dann rechts. Zwei Ruten krumm. Zwei Bremsen heulten auf. Zwei Angler schwer verblüfft und doch hocherfreut. Nach harten Drills kamen dann die ersten wirklich schönen Köhler dieses Urlaubs zutage. 

Immer volle Pulle nach oben

Nachdem die beiden Fische derart derb auf die schnell geführten Köder einstiegen, haben wir die Pilker natürlich so schnell wie möglich auf ca. 50 m Tiefe gebracht und mit Karacho eingezogen und… Wumms. Nach ca. 20 m Schnurgewinn wieder alle Ruten krumm. Diese Fische lieben es, wenn ihre Beute schnell nach oben flüchtet! Wie wild stiegen sie auf unsere turboschnell geführten Pilker und Beifänger ein. Nach der ersten Dublette, die die Hechtrute bis an den Rand ihres Leistungsvermögens brachte, verzichteten wir dann auch auf die Beifänger. Der Beißfreude der Fische tat dies keinen Abbruch. Da sie den Köder sowohl beim Absinken als auch im Aufwärtsgang nahmen, wollten wir unsere Pilker für die Sinkphase noch etwas attraktiver gestalten. Dazu klinkten wir einen Gummimak in den oberen Sprengring ein. Beim Heruntertaumeln wirbelte dieser derart verführerisch, dass wir schon in dieser ersten Phase, wenn der Köder also durch den Schwarm ging, ca. 30 Prozent unserer Bisse bekamen. Rund 70 Prozent der Köhler jedoch ballerten auf den schnurstracks nach oben gezogenen Pilker. (Nebenbei bemerkt: auch Pollacks stehen auf diese Köderführung.)




Reine Nervensache


Schon die ersten 4 Stunden, die einen Dicken nach dem anderen brachten, machten eines deutlich: die Drills beanspruchen nicht nur die Rute maximal. Gerade die Bremssysteme der Rollen können im Köhlerdrill zeigen, was sie wert sind (schon am ersten Tag machten die Bremsen zweier älterer Rollen schlapp). Auch die Handgelenke und Oberarme werden ordentlich belastet. Den flüchtenden Köhlern Widerstand zu leisten, gelingt oft nur, wenn eine Hand die andere stützt. Denn wenn ein Köhler den Pilker packt, geht’s erst einmal mit Vollgas in die Tiefe. Gerade die erste Flucht zu stoppen, ist bei kapitalen Exemplaren fast unmöglich. Die Sehne läuft derart rasant von der Spule, dass einem angst und bange wird. Bedrohlich schimmert schon der Spulenkern durch die Wicklungen. Dann endlich hält der Fisch inne, sammelt neue Kraft und lässt sich mühsam einige Meter in Richtung Boot pumpen. Doch schon geht’s wieder los: die Rutenspitze wird unter Wasser gezogen und die Bremse heult auf als wolle sie ihr letztes Lied singen. Wieder stoppt der Fisch gerade im richtigen Moment und diesmal gelingt es, etwas mehr Schnur zurückzugewinnen. Das Ganze wiederholt sich mehrere Male und nur ganz allmählich wird der Widerstand da unten schwächer. Noch kurz vor dem Boot verausgabt sich der Fisch in einer letzten Flucht und zeigt dann weiß – völlig erschöpft lässt er sich per Handlandung über die Bordwand hieven. Ein Gaff ist im Kleinboot mehr als überflüssig!



Boot und Fanggerät


Um möglichst flexibel zu sein, empfiehlt sich das Fischen vom kleinen (Motor-)Boot mit maximal drei Mann Besatzung. Nur so ist ein erfolgreiches Angeln für alle Mann an Bord gewährleistet. Denn – und das passiert nicht selten – wenn erst einmal alle Ruten krumm sind, geht es im wahrsten Sinne  rund. Und bis es dazu kommt, braucht die ganze Bootsbesatzung auch ein wenig Freiraum. Um nämlich möglichst die gesamte Wassersäule in einer möglichst kurzen Drift mit einem möglichst leichten Pilker abzusuchen, wirft man den Köder erst in die Driftrichtung aus, lässt ihn bis zum Boden sinken, um ihn dann um das Boot herum zu führen und schließlich zügig einzuholen.


Diese Angelei stellt auch besondere Anforderungen an das Gerät. Wir fischten unsere Hechtruten mit Wurfgewichten von 40 bis 120 Gramm und mittleren Stationärrollen, die mit 16er Geflochtener bespult waren. (Je dünner die Schnur, desto weniger Wasserwiderstand und desto schneller ist der Pilker dann da, wo er hin soll.) Bei der Pilkerwahl gilt wie so oft der Grundsatz: „So schwer wie nötig und so leicht wie möglich.“ Bei einer schwachen Drift und einer maximalen Tiefe von 100 m reichen schlanke Pilker von 80 bis 100 Gramm Gewicht völlig aus.



Den Großen auf der Spur


Mit kleinen Köhlern hat sicher jeder Norwegenerprobte schon seine Erfahrungen gemacht, stürzen sie sich doch in nahezu allen Fjorden und Küstenbereichen mit unglaublicher Wut auf nahezu jeden Köder, der ihnen vor die Nase gerät. Oft kommt man nicht bis zu den am Grund stehenden Dorschen durch, weil die forellengroßen Exemplare sich direkt auf die absinkenden Paternoster stürzen und dann gehöriges Durcheinander in die Montagen bringen. An die chaotisch-bockigen Fluchten eines Kleinköhler-Trios erinnert man sich dennoch gerne. Erst recht aber wird jeder Angler, der zufällig oder auch gezielt die Bekanntschaft mit einem Stammesbruder aus einem älteren Jahrgang machen durfte, dieses Erlebnis so schnell nicht vergessen. Denn selbst kräftige Bootsruten verneigen sich ehrfürchtig vor der Kampfkraft dieser Muskelpakete. Doch damit es soweit kommt, muss man die kapitalen Kollegen erst mal finden. Hat man erst einmal einen Groß-Köhler-Schwarm lokalisiert, geht es, wie oben ausgeführt, ganz einfach. Um sie aufzuspüren, ist es wichtig zu wissen, wie die großen Seelachse leben. Nur wenn man sich auf die Fische einstellt, wird man über Zufallsfänge hinauskommen.


Seelachse sind Schwarmfische, die sich zumeist in Trupps aus Exemplaren des gleichen Formats zusammenrotten. Selten wird man inmitten eines Kleinköhlerschwarms einen Kapitalen fangen. Wie im Süßwasser spielen auch im Fjord Kanten, Unterwasserplateaus, Inselchen, Strömungsschatten und gute Futterplätze (wie z.B. Lachsfarmen) eine entscheidende Rolle. Mit der auflaufenden Flut, ziehen die Großköhler gemeinsam in die Fjorde, um sich dort am reich gedeckten Buffet aus Garnelen, Kleinfischen und auch Lachspellets zu bedienen. Haben sie einen guten Futterplatz für sich entdeckt, finden sie sich dort immer wieder ein. Die Tatsache, dass sich diese Fische vorzugsweise im Freiwasser aufhalten, gestaltet den Köhlerfang etwas schwieriger als den von Dorschen. Letztere stehen ja bekanntlich vorzugsweise am Gewässergrund. Im Gegensatz zum Dorschpilken nutzt es demnach wenig, den Pilker dauerhaft in einer bestimmten Tiefe anzubieten, um die Großköhler aufzuspüren. Vielmehr gilt es, sämtliche Wasserschichten um die Hotspots herum nach den Köhlern abzuklopfen, um, wenn man auf einen Schwarm stößt, immer wieder auf dessen Höhe zu angeln. Als sehr hilfreich hat sich der Einsatz eines Echolotes erwiesen (von zu Hause mitbringen!). Mit diesem scannt man die Unterwasserlandschaft ab und erhält wesentliche Anhaltspunkte über potentielle Standorte. Und gar nicht selten sieht man plötzlich eine Linie aus großer Fischsymbole im Freiwasser – dann nichts wie runter mit den Pilkern – ein Großköhlerschwarm wartet auf leichte Beute!




Ein anglerisches Luxusproblem gibt’s jedoch


An richtig heißen (Futter-)Plätzen gehen die Seelachse oft stundenlang auf Beutezug. Dann wird es selbst in der größten Fischkiste eng. Und auch die Tiefkühltruhe füllt sich nach einigen Tagen schnell bis zum Rand mit den köstlichen Seelachsfilets. Selbst für eingefleischte Kochtopfangler kann es beim Angeln eigentlich nur noch darum gehen, die Tagesration Frischfisch zu erbeuten – erst recht, wenn die Norweger Ernst machen und ein Filet-Limit von 20 kg durchsetzen. Da ein dicken Köhler für 3 Mann mehr als ausreicht, stellt sich die Frage: „Was tun?“.


Vor diesem anglerischen Luxusproblem standen wir nach einer Urlaubswoche. Das Fischen wollten wir natürlich nicht bleiben lassen. Zu selten kommt man bei uns daheim in den Genuss derart brachialer Fluchten in die Tiefe und drillbedingten Muskelkaters. Also gingen wir dazu über, die Fische nach dem Fang wieder freizulassen. Das ging am Anfang richtig schief: die völlig abgekämpften Fische waren auch nach Handlandung und schonendem Hakenlösen derart bedient, dass sie nicht mehr lebensfähig schienen. Wir nahmen uns von nun an vor, jeden Fisch so behutsam zu drillen, dass sein Weiterleben gesichert war. Anstatt die Seelachse so schnell wie möglich hoch zu pumpen, legten wir nach jedem Schnurgewinn eine kurze Pause ein, so dass die Fische in der Lage waren, sich an den veränderten Wasserdruck anzupassen. Und tatsächlich konnten wir unsere Fische auf diese Art und Weise erfolgreich zurücksetzen.

R
Oh mann, hoffentlich ist bald der 17. Juni. Kanns echt nicht mehr abwarten und dann muß man auch noch sowas lesen
L
Cooler Bericht! Echt mal was anderes!<br />
<br />
Mfg Lenny
L