Barsch Light-Finessen: Dicke Barsche auf kleine Köder

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Ich bin gestern aus Holland nach Berlin zurückgekommen. Nicht so richtig gern, um ehrlich zu sein. Denn bei unseren Nachbarn macht das Barschangeln noch ein bisschen mehr Spaß als in Berlin. Nicht falsch verstehen – ich liebe es, kleine Brücklinge und Mittelklasse-Barsche aus der Spree zu kratzen und feiere jeden 35er voll ab. Mir geht’s prinzipiell mehr ums Angeln an sich als ums Dickefischefangen. Aber wenn ich die Wahl zwischen Mohnkügelchen und Kirschen habe, gibt’s dann doch eine Tendenz zur Kirsche. Ich war mit Janosch und Milan unterwegs. Zwei Schweizern, die es echt draufhaben. Sie sind es gewohnt, Barsche zu fangen, wo es eigentlich keine Barsche gibt. Sie müssen extrem fein fischen in ihren glasklaren Seen und auf jedes noch so kleine Detail achten. Da kann auch der Barsch-Joda noch etwas lernen beim Light-Finessen. Ein bisschen was zum Thema „dicke Barsche auf kleine Köder“ möchte ich weitergeben.

Vorgeschichte: Es war brutaler Sturm angesagt. Dazu viel Regen. Die ganze Woche lang. Wir hatte ein Haus in Hellevoetsluis reserviert, damit wir schön am Haringvliet auf fette Barsche, schöne Zander und gewaltige Hechte angeln können. Das Barschangeln in Berlin hat mir brutal Spaß gemacht. Auch wenn ich nicht viele große Barsche gefangen habe. Und bei uns war einigermaßen gutes Wetter vorhergesagt. Soll ich wirklich 730 km fahren, um mich in den Sturm zu stellen und duschen zu lassen? Eigentlich keinen Bock. Der stieg dann aber brutal an, als mir die Jungs am Samstag (da war ich noch bei den Schwesers in Neubrandenburg zum Shimano-Day) geschrieben haben, dass sie richtig dicke Barsche gefangen haben. Wo ganz anders zwar. Aber noch in Reichweite von unserem Standort. Und so bin ich am Sonntag top motiviert mit 12 Ruten und Rollen, 25 kg Gummi, 2 kg Jigs und Rubbers, Wobblern usw. nach Hellevoetsluis geballert, wo es wirklich sehr windig war.

Am Montag hatte ich einen brutalen Lauf. An Bootsangeln war bei Windstärken bis 7 BFT nicht zu denken und so haben wir vom Ufer gefischt. Von 10 bis 19 Uhr. Ergebnis: 8 Hechte zwischen 60 und knapp 80 Zentimeter und 10 Zander – alle zwischen 60 und 70 Zentimeter. Bei den Kollegen lief es etwas beschaulicher. Dennoch waren wir allesamt gefasht vom ersten gemeinsamen Angeltag.

8 Hechte am HV? An einem Tag? Hoffentlich hab ich das Pulver für die nächste WPC nicht schon jetzt verschossen.
Der hat sich draufgelegt. Andere haben schöne Tocks gegeben.
Janosch hat es abgefeiert. Hat auch wirklich großen Spaß gemacht.

Dann also auf die Ausweichgewässer im Hinterland. Schließlich ist die Schweiz nicht umsonst mit dem Boot gekommen. Perfektes Wetter am Dienstag. Weniger schönes Wetter am Mittwoch. Blablabla. Kommen wir mal endlich zur Sache: Wir haben brutal schöne Fische gefangen. Und in Milan unseren Finesse-Meister gefunden. Der Mann hat in einer Woche drei 50er verhaftet (zwei an dem Samstag, an dem ich nicht dabei war) und zwei 49er und dazu noch mehr schöne Kirschen. Er hat gedropshottet, wenn man dropshotten musste, Carolina gefischt, wenn die Barsche ein C-Rig haben wollten und Texas geangelt, wenn das T-Rig angesagt war. Vor allem aber hat er seinen Schweizer Style angewendet. Also nix mit grobem Geschirr. Feine Ruten, kleine Rollen, dünne Schnüre und feinste Vorfächer. Dazu megafeindrähtige Haken, Tungsten-Dropshot-Gewichte und leichte Tungsten-Bullets mit den allerfeinsten Offset-Haken. Köder: Krebse von OSP und Reins. Pintails von OSP und Keitech. Die Shads hat er in 3 und 4 Inch gefischt. Die Krebsli waren mini.

Tut mir so leid. Blitz nicht aktiviert. So ein schöner Fisch (49) und so ein mieses Bild. Sorry, Milanese!

Ich weiß gar nicht, wie er draufgekommen ist, dass er so klein fischt, wo wir es doch auf Endkirschen abgesehen hatten. Ich hatte das anfangs nicht auf dem Zettel und habe auch ein paar schöne Fische auf normale Endbarsch-Köder (Rubberjig mit 3 bis 4 Inch-Krebsen oder 3,8er Fat Swing Impact) gefangen.  Aber Milan hatte irgendwie immer eine noch fängigere Varinate in petto. (Wir sprechen von Ausbeuten von maximal 6 Barschen pro Tag und Person. Nicht von Infernos. Und doch kann man sagen, dass der feine Schweizer Stil nicht nur mehr Fische, sondern auch größere Barsche ans Band gelockt hat.) Jedenfalls hat Milan voll abgefeiert, als er gemerkt hat, dass die Barsche seine kleinen Krebsli so mögen. Denn: Wenn die Barsche so Kleinzeug einsammeln, müssen sie öfter bzw. länger fressen, als wenn sie sich fette Fische reindonnern. Umso größer also unsere Chancen auf einen Fisch. Soweit die Theorie.

Auch eine schöne Kerse.

Praktisch sah das dann auch ganz gut aus. Endgültigen Legendenstatus hat er sich am letzten Tag erangelt. In fünf Würfen auf einen Spot: Erst ein 47er, dann ein ganz knapp nicht 50er und dann noch ein 45er. Insgesamt hatte er sechs Fische an diesem Tag. Alles Barsche über 42 Zentimeter. Ich hatte auch sechs Fische. Davon vier kleine Zander und zwei Barsche (ein 44er). Ich hätte voll gern getauscht. Janosch sicher noch lieber. Er hatte den ganzen Tag nur einen Biss. Aber das war auch ein 45er Barsch. Immerhin.

Barschmaster Milan mit einem – erneut – sehr schlecht fotografiertem Fisch. Fangneid seitens des Fotografen?
Wow. Wie lang. Aber noch heftiger: Wie hoch und fett!

Es war nicht mein erstes „Schweizer Erlebnis“. Ich habe aus einer Session mit Janosch und Sascha in Mequinenza schon viel für mich mitgenommen. Da haben sie mit Doppeldropshot-Montagen, deren Aufbau ca. 10 Minuten gedauert hat, weil die Fischli noch mit Spiralen gesichert wurden, in den Hängern gefischt. Gnadenlos. Und mir teilweise ordentlich einen vorgeangelt, weil ich keinen Bock hatte, mein Zeug vorsätzlich zu versenken. Und weil da einfach alles gestimmt hat.

War ungemülich kalt. Aber bei solchen Barschen wird’s dann schon wieder warm – zumindest ums Herz.

 

Ein paar Schweizer Barsch-Tricks:

Dropshot-Haken: Die Schweizer sind der felsenfesten Meinung, dass die bei sich nur mit ultrafeindrähtigen blauen Dropshot-Haken Fische fangen (Modell: Owner Pint Blue 53117). Die können die Fische nicht so gut sehen und stören den Lauf auch nicht. Sie fischen kleine Haken, deren Schenkel weit vorne am Köder austritt.

Dropshot-Anköderung: Der Köder wir immer aufgezogen (kein Nose-Hooking) und entweder angebunden (mit Nadel und Faden) oder mit einer Baitholder-Spirale gesichert (Öhr über dem haken auf der Schnur).

Dropshot-Gewichte: So leicht wie nur möglich und ganz klar aus Tungsten!

Offsethaken und Texas- und Carolina-Rig: Ebenfalls fein und klein (Modell: Cultiva Twist Lock in Größe 6)

Bullets: Niemals silberne Bullet Weights. Immer in gedeckten Farben. Und auch hier immer so leicht wie nur möglich.

Carolina-Wirbel: Sehr klein!

Vorfächer: maximal 0,25er Fluorocarbon

 

Individuelle Führung für jeden einzelnen Köder

Dann muss man die Systeme natürlich auch entsprechend präsentieren, sich in jeden Köder reindenken, damit jeder einzelne Köder seine spezifischen Stärken ausspielen kann. Nur ein Beispiel: Beim Carolina-Rig-Fischen mit dem 2er Reins AX Craw (Markenzeichen sind die unter Zug flatternden Flügel) hat Milan erst ein bisschen gezuppelt, so dass der Krebs zuckt, dann die freie Schnur aufgenommen und dann noch ca. 20 cm gezogen, so dass die Scheren schön flattern, um ihn dann stehen zu lassen, damit der ihn verfolgende Barsch das Krebsli vom Grund wegsaugen kann.

Von Janosch habe ich irgendwie schönere Fotoli gemacht.

 

Es war toll. Es war beeindruckend. Es war lehrreich. Es wurde gestern Abend noch ordentlich Zeug bestellt. Und ich freue mich schon sehr auf die nächsten Barsch-Trips, die noch ein wenig finessiger ausfallen werden als eh schon…

Schöner Bericht Johannes, kannst noch was zu den verwendeten Ruten der Schweizer Barschprofis schreiben?
@Bookwood: Die fischen gern TICT-Ruten.
Danke Johannes.
Stefan
Der Streifenkarpfen, Hammerfisch! Was sind das für blaue Haken?
Das mit den dunklen Bullets kennt man ja auch von den Jigs und DS Bleien. Am besten in Cola anlaufen lassen... Obs mit Tungstn funzt ist die Frage. Sonst halt pulverlackieren.

MfG Matthias
P
  • P
    PM500X
  • 11.12.2018
Den Schweizern braucht echt niemand was vor machen, wenn es um Finesse-Angelei geht. Nur das beste Tackle, alles ultrafein & leicht. Die Führung absolut entschleunigt und zugleich präzise wie ein schweizer Uhrwerk. Ich war ja schon ein paar Mal mit schweizer Kollegen angeln und lerne jedes Mal was dazu.
Der 2er AX craw ist ein Fall für sich und definitiv mein lieblingsminiköder... was sich darauf schon Hechte eingeklinkt haben ?
Aber eben auch schöne Barsche. Der 3er fängt hier deutlich weniger.
Schöner Artikel, welche Haken Größe fischen die Jungs denn beim Dropshot?
Wir Schweizer sind halt "geili Sieche", war nur Spass ....
Was mir schon wieder auffällt: Der Herr Dietel hat da wieder so ein Barsch Cap auf...
Langsam muss das Cap in den Druck gehen. Weil das schein Fisch zu bringen und gut zu halten...
Sonst gibts mal Angelverbot für den Forumspapa ;)
@Imo1: 4er für 4 Inch. 6er für 3 Inch.

@eggerm: Von der Kappe hab ich sogar 40 da. Evtl könnte ich die zu einem Werbepartner schicken/bringen und der kann sie dann versenden.
Fische die blauen Owner Haken auch schon gut zwei Jahre! Da bleibt einfach alles kleben. Nehme immer die 4er, also die größten, verwende aber auch eigentlich nie Köder unter 3.5".

Die sind so filigran, dass sie beim Hänger auch gerne mal brechen bevor das 26er Fluo samt 10er Schnur reißt.. was beim C&T Rig ja eigentlich noch geiler ist, da nicht immer alles komplett neu gebunden werden muss.

* nun ist also nicht nur mein geliebtes ShakyHead Rig in der breiten Masse angekommen, sondern auch noch diese verdammt guten Haken, danke ;)
Danke, super Bericht, werde einige der Tipps sofort umsetzen!
Klingt sehr spannend! Photo vom Schweizer DS-Rig wäre cool.
Haben die Jungs mit einer Solitip Rute gefischt ?
Auf jedenfall eine sehr interessante Sache
Frage: Was ist das für eine Fischmessstation (Bild7)? ;)
Wo bekomme ich so eine?
Alter Klabautermann, was ein Prachtexemplar!! Petri mein Freund.

LG & Küsschen aufs Nüsschen :)
@dietel : Ich habe eine Frage zu folgender Aussage: "Bullets: Niemals silberne Bullet Weights. Immer in gedeckten Farben. Und auch hier immer so leicht wie nur möglich." Ich will mal Cheburashka/tungsten am Kanal ausprobieren. Sollte ich von silbernen Bleien absehen und lieber lackierte kaufen und was ist mit farbig lackierten? Oder ist der Satz nur auf das spezielle Gewässer bezogen?
L