Tipps & Tricks Alle Jahre wieder: ZECKEN-Alarm!


Guten Morgen, gestern war ich auf der Suche nach einem schwer zugänglichen Spot, den ich im Winter entdeckt hatte. Mein Weg führte bei sommerlichen Temperaturen durch brusthohes Gras, über umgestürzte Bäume, durch Schlammpfützen und alles, was der deutsche „Urwald“ so hergibt. Mücken gab es reichlich und ich war schon fast überrascht, am Abend lediglich eine Zecke zu finden. Ich hätte mehr erwartet.

Dieses Ereignis brachte mich auf die Idee, hier einen kurzen Infobeitrag über Zecken und von ihnen in Deutschland übertragene Erkrankungen zu erstellen, weil ich schätze, dass Zecken für viele von uns ein häufiges Übel darstellen und ich im Alltag einfach feststelle, dass es da viel Unsicherheit gibt. Zumal bin ich als anerkannter TV-Experte zum Thema (ich hatte mal einen diesbezüglichen Auftritt in einem brandenburgischen Provinzsender, den keiner kennt :D ) dafür quasi prädestiniert.

Zecken (es geht im Weiteren nur um den Gemeinen Holzbock Ixodes ricinus, die mit Abstand häufigste Zeckenart in D) werden aktiv, sobald die Temperaturen 7°C dauerhaft überschreiten. In der Fachliteratur ist noch von März bis Oktober die Rede, wobei ich in der Praxis auch noch Mitte November Patienten mit Zeckenbissen gesehen habe. Es ist wohl davon auszugehen, dass sich angesichts des Klimawandels auch die Aktivitätsspanne der Zecke zumindest erstmal regional ausweiten wird.
Bilder der Quälgeister erspar ich euch, wir haben die sicherlich alle schonmal gesehen.

Es gibt im Wesentlichen zwei relevante Erkrankungen, die hierzulande übertragen werden können: eine wirklich gefährliche, die schwer behandelbar ist und eine häufige, die sehr lästig werden kann, aber sich zumindest im Frühstadium sehr gut therapieren lässt. Fangen wir mit der Häufigen an:

1. Borreliose (auch Lyme-Borreliose)

Etwa jede dritte Zecke trägt im Verdauungstrakt Bakterien der Art Borrelia burgdorferi. Bei 5-6% der Patienten mit Zeckenbiss lassen sich in der Folge Antikörper gg. Borrelien nachweisen, aber nur 1% aller Gebissenen entwickelt eine Borreliose. Die Borrelien werden nicht direkt beim Biss übertragen, sondern können erst in den Zeckenspeichel gelangen, wenn Blut verdaut wird. Bis dahin vergehen einige Stunden (früher hieß es mindestens 24h, mittlerweile weiß man das nicht mehr so genau und gibt 6-48h an) –> eine entdeckte Zecke sollte schnellstmöglich entfernt werden.

Fun fact am Rande (für Partygespräche etc.): Beißt eine mit Borrelien besiedelte Zecke ein Schaf, verliert sie ihre Borrelien. Das Schaf bekommt aber keine Borreliose. kA, warum das so ist. Weiter im Text.

Sollte man sich tatsächlich infiziert haben, verläuft die Borreliose klassischerweise in 3 Stadien:

Stadium 1: Es entsteht 3-30 Tage nach dem Biss eine sog. Wanderröte (Erythema migrans), das heißt ein roter Kreis mit dem Zeckenbiss als Zentrum.

Der Kreis muss nicht so kreisförmig sein, ich habe auch schon bizarre Formationen gesehen. In seltenen Fällen entsteht die Wanderröte spontan, das heißt der Patient bemerkt den Zeckenbiss gar nicht und zum Zeitpunkt der Entdeckung der Hauterscheinung ist gar keine Zecke mehr vorhanden. So etwas hatte ich kürzlich in der Praxis, die Stelle war am Unterarm, also eigentlich leicht einsehbar. Der Laborbefund bestätigte dann eindeutig die Diagnose Lyme-Borreliose.
In diesem Stadium kann man sehr gut antibiotisch therapieren, die Therapie wird mit Doxycylin empfohlen (14-21 Tage, Resistenzen gibt es meines Wissens nach nicht). In dieser Zeit sollte auf Alkohol verzichtet werden, zudem ist auf einen guten Schutz gegen Sonnenlicht zu achten (also konsequent eincremen und Sonnenlicht nach Möglichkeit meiden bzw. entsprechende Kleidung tragen).

Jetzt kommt der Haken: Stadium 1 kann auch ausfallen. Die Erkrankung beginnt dann direkt mit

Stadium 2: Hierbei stehen ausgeprägte Gelenkentzündungen mit starker Ergussbildung, vornehmlich an Ellenbogen- u. Kniegelenken, im Vordergrund. Des Weiteren kann es zu Herzrhythmusstörungen und Nervenausfällen (v.a. i. Gesichtsbereich) kommen. Auch Hirnhautentzündungen können auftreten. Alles nicht so lustig. Wird keine Therapie eingeleitet, folgt

Stadium 3 (Spätstadium): Die Erkrankung wird chronisch, es kann zu einem großflächigen Nervenausfall (Polyneuropathie) und zur sog. Acrodermatitis chronica atrophicans kommen, einer Hauterkrankung mit Pergamenthaut.

Die Beteiligung von Nerven und Gehirn wird unter dem Begriff der „Neuroborreliose“ zusammengefasst, hier hilft nur eine intravenöse Therapie mit Ceftriaxon. In der Regel erfolgt diese im Krankenhaus.

Die Borreliose wird auch mit einer Vielzahl weiterer Erkankungen in Verbindung gebracht, zum Beispiel mit dem Chronic Fatigue Syndrom und dem Guillain-Barré-Syndrom.

Die Borreliose ist die mit Abstand häufigste der 2 „großen“ zeckenassoziierten Erkrankungen in unseren Breiten, von 100’000 Menschen erkranken jährlich 100-300; somit ist sie keine seltene Erkrankung. Immerhin verläuft sie nur im absoluten Ausnahmefall tödlich, anders als die glücklicherweise viel seltener auftretende

2. Frühsommerliche Meningoenzephalitis (FSME)

Im Gegensatz zur Borreliose wird die FSME von Viren übertragen, daher ist eine antibiotische Therapie hier wirkungslos. Die Wahrscheinlichkeit, einer Zecke mit FSME-verursachenden Viren zu begegnen, ist regional stark unterschiedlich ausgeprägt. Die folgende Karte zeigt die für uns wichtigen Risikogebiete:

In den roten Bereichen treten regelmäßig Infektionen auf, in den gelben Gebieten handelt es sich um Einzelfälle. Knapp 90% der Fälle in Deutschland entfallen auf Bayern und Baden-Württemberg.

Die Übertragung erfolgt wieder durch den Biss, nach 4-28 Tagen treten grippeähnliche Symptome mit erhöhter Temperatur oder auch Fieber auf (wobei etwa 70% der Infizierten keine Symptome entwickeln). Nach etwa einer Woche klingt das Fieber ab und die Beschwerden werden weniger. Nach einigen Tagen (bis zu 10 Tage werden angegeben) tritt abermals Fieber auf, deutlich höher diesmal, und es zeigen sich Zeichen der Hirn- u. Hirnhautentzündung (Benommenheit, Übelkeit, heftige Kopfschmerzen, Nackensteife…). Einer von 100 Infizierten überlebt dieses Stadium nicht.
Wird dieses Stadium überlebt, entwickeln sich in der Regel chronische Langzeitkomplikationen, von den Symptomen her ähnlich wie nach einem Schlaganfall. Sprachstörungen, Lähmungen, Bewusstseinsveränderungen usw. können auftreten.

Die Inzidenz in Deutschland beträgt 1:100’000, kann aber, siehe Karte, regional deutlich größer ausfallen. Wie schon geschrieben lässt sich die FSME nicht kausal behandeln, es kann nach erfolgter Erkrankung nur darum gehen, die Symptome bestmöglich zu lindern. Anders als bei der Borreliose gibt es aber die Möglichkeit einer vorbeugenden Impfung. Neben der allgemeinen Empfehlung, Zeckenbisse nach Möglichkeit zu vermeiden, ist diese allen jenen empfohlen, die in betroffenen Gebieten leben oder einen naturnahen Urlaub dort verbringen.

Es stehen 2 Impfstoffe zur Verfügung, die Impfschemata füge ich hier direkt von der Seite des RKI ein:

Der geheime Dschungelspot, den ich gestern gesucht habe, war übrigens so zugewuchert, dass an Angeln nicht zu denken war. Die Zecke, die ich mir dabei einfing, riss beim Versuch, sie mit einer Pinzette zu entfernen (kein Öl und keinen Kleber benutzen, nicht drehen, einfach den Zug langsam erhöhen, bis sie sich löst), ab, die Beißwerkzeuge blieben in der Haut stecken. Das ist aber kein Problem, da von diesen keine Infektionsgefahr ausgeht. Ich beobachte die Stelle jetzt einfach ein paar Tage, der Körper entwickelt eine kleine lokale Entzündungsreaktion, wodurch die Beißwerkzeuge abgestoßen werden sollten.

PS: Dieser Beitrag ist aus dem Forum. Das Aufmacherbild habe ich aus einem anderem Artikel zum Thema, der auch mal durchgelesen werden sollte, wenn man sich viel im Gras aufhält.:

Achtung, Blutasauger!

Und dann gibt’s hier noch eine App:

Zecken-App

Passt auf euch auf!

Vom User für User. Tolle Sache! Danke katatafisch.
Besten Dank für die Aufklärung. Definitiv wichtig für jemanden der ein Hobby in der Natur ausübt. :emoji_thumbsup:
Super zusammengefasst. Zur Risikokarte kann man noch sagen, dass Österreich ein Stück mehr rot abbekommt. Durch den Klimawandel wandern kommen die tiere in größeren Höhen vor.

Mfg Matthias
Ganz große Klasse! Danke für die extrem hilfreiche Zusammenfassung.
Mega Zusammenfassung!
Danke, echt hilfreich.
Irgendwann kann man es mit Sicherheit mal gebrauchen…
Zecken sind spinnenartige Tier
Danke für den Tollen Beitrag sehr interessant
Schöne Zusammenfassung und äußerst wichtig, dass alle die sich regelmäßig in der Natur aufhalten, zu diesem Thema ohne Panikmache zu sensibilisiert sind. Ich selber hatte vor knapp 8 Jahren Borreliose, die nur durch Zufall aufgedeckt wurde da Knieentzündung lange nicht wegging (hatte vorher für über 2 Jahre keine Zecke gefunden oder entfernt, keine Wanderröte...). So schnell kanns gehen und man bekommt es gar nicht mit. Seit dem bin ich auch FSME geimpft.
Oder statt der Impfung einfach nurnoch in der Nähe von Schafsherden angeln ;) Top Beitrag, da denk ich glatt dran meine Impfung mal wieder aufzufrischen :D Grüße
Dieses jahr fast keine Zecken bei uns im MKK kreis bzw. jetzt gar keine mehr und null Katzenfloehe BTW.
Hallo,
danke für den spannenden Beitrag. Ich kann jedem, der regelmäßig in Wald und Natur unterwegs ist und häufig Probleme mit Zecken hat, antizeckenhosen ans Herz legen. Da ich nicht nur beim Angeln sondern auch durch das Sammeln von Pilzen immer viel draussen in zeckterrain bin, hatte ich mich vor ein paar Jahren dazu entschlossen eine zu kaufen. Seitdem habe ich sehr viel weniger Zecken und bin sehr zufrieden damit.
Danke für den Zuspruch!
Hat mir auch echt Spaß gemacht, den Beitrag zu verfassen.
Sehr wertvoller Beitrag, vielen Dank!
Ich werde mich nun auch impfen lassen.
Toller Beitrag und eine gute Erinnerung mal wieder die Impfung auffrischen zu lassen.
https://www.forschung-und-wissen.de/nachrichten/medizin/schwarzkuemmeloel-schuetzt-menschen-und-hunde-vor-zecken-13373275
Toller Expertenbericht. Vielen Dank!
Sehr guter Bericht. :emoji_thumbsup:
Da ich im Süden wohne ist die FSME Impung seit je her Pflicht und ganz normal.
D