Vieles, was in den letzten drei Seiten argumentiert wurde, ist stimmig und auf der ersten Blick ohne Widerspruch. Wer allerdings hier erst mit dem Lesen einsteigt, hat (das ist nicht negativ wertend gemeint) mit Sicherheit noch kein klares Bild. Auch die Begriffe Kultur- und Naturlandschaft etc, werden hier teilweise mit wagemutigen Definitionen belegt. Ich kann mich dabei nur auf die Geographie beziehen und das anglerische Wissen um mein hier thematisiertes Hausgewässer kurz runterbrechen.
Der Bodensee ist als Voralpensee per se nährstoffarm. In diesem Zustand bezeichnet man ihn als Naturlandschaft. Genauso, wie man die boreale nicht bewirtschaftete Höhenstufe (also durch Holzwirtschaft/Artenveränderung) in den Gebirgen als solche bezeichnet. Ab dem Moment wo der Mensch Einfluß nimmt, also entweder Holz fällt oder eine neue Fischart besetzt (! Hier wirds wichtig!), spricht man langläufig von Kulturlandschaft.
Die Verhaltensweise des Menschen hat sich verändert und damit auch die Definition seines Lebensraumes. Die Urvölker haben beispielsweise zwar im Bodensee gefischt (archäolgische Belege in den Pfahlbauten bei Uhldingen) allerdings gab es nicht jeden Tag Fisch oder Wild. Dann kam der entscheidende Wandel vom Jäger & Sammler zur Ackerbaukultur. Diese Veränderung machte sich jedoch erst bemerkbar als im Zuge der Industriealisierung Land- und Viehwirtschaft im größeren Stile betrieben wurde. Der damit über das Grund- und Oberflächewasser verbundene Stickstoff- und Phosphateintrag war der entscheidende Faktor für die kommerzielle Fischerei im Bodensee. Die Population der "heimischen" Fischarten nahm zu und die Besatzmaßnahmen der neuen Spezies gelang aufgrund der neuen vorherrschende Bedingungen.
Nun weiß man, dass Prozesse in der Natur manchmal sehr langsam von statten gehen, genauso, wie plötzliche Zustandsveränderungen eintreten können. Der Bodensee hatte sich von seinem ursprünglichen Zustand in den frühen 70ern stark verändert. Es gab laut einigen Alt-Überlingern riesige Brassenschwärme, massenhaft Karpfen und Karauschen und das Wasser vor der Überlinger Promenade hatte eine Sichttiefe, die wahrscheinlich 5-6 Meter weniger als gestern Abend war....
Dann kam das ökologische Bewusstsein bei den Menschen in den Köpfen langsam an und nach der fast Eutrophierung hatte auch der letzte den Schuß gehört, dass dringend etwas unternommen wurde. Der Prozess der dann eingeleitet wurde dauert bis heute an.
Der Bodensee entwickelt sich wieder zurück in seinen Ursprungszustand als nährstoff"armer" (menschliche Definition) Voralpensee. Allerdings dauert das noch sehr lange, denn es sind so viele "invasive" (Bass, Hecht, Zander, Wels etc.) Spezies vertreten, dass der Ursprungszustand noch lange nicht erreicht ist. Oder vielleicht auch nie wieder diesen Zustand erreicht, da, Achtung/Wilde These die o.g. Fischarten immer eine Mindespopulation halten wird, da der Mensch ja nie ganz aufgehört hat das Gewässer gänzlich zu beeinflussen. Immerhin werden die Felder immer noch gedüngt und Regen und Grundwasserabfluss gelangen immer noch in den See. Doch was genau ist die Problematik der Bodenseefischer?
Warum muss ein Fischer, der nach einem zwiebelähnlichen Gemüse benannt wurde, seine Maschenweite von 10 cm noch kleiner machen? Warum erkennt er bestimmte offensichtliche Fakten und Veränderungen nicht oder verschließt seine Augen davor?
Der Hecht hat kein Mindestmaß und keine Schonzeit am Bodensee. "Er muss raus aus dem Gewässer" sagen viele Fischer, einschließlich dem oben zitierten. Offiziell ist der Grund natürlich nicht die bedrohten Felchenbestände, sondern ein Hechtbandwurm. Dieser ist allerdings weder für den Mensch noch für die 1m + Fische gefährlich. Oder treiben etwa tägliche hunderte Hechte an der Oberfläche? Also gestern Abend zumindest nicht.
Ihr seht, man kann auch meine Interessen aus den Zeilen lesen, darum bemühe ich mich um einen sachlichen Ton.
Den Hecht "rauszuholen" ist in etwa so aussichtsreich, wie den menschlichen Einfluß auf den Zustand des Bodensees vollständig einzudämmen. Man kann keine Jahrzehnte alte Freiwasserhechtpopulation auf so einer großen Wasserfläche auslöschen. Außer "die Natur" regelt das durch wasauchimmer. Der Mensch schafft es jedenfalls nicht und sollte es besser auch nicht versuchen.....denn mehr Felchen und dickere Barsche gibt es dadurch jedenfalls nicht. Aber bis das verstanden wird, vergehen hier noch ein paar Jährchen...
Doch zurück zur Fischerproblematik. Wieso sind die Fischer die einzigen, die noch nicht erkannt haben, dass abertausende Inlandstouristen JEDES JAHR ihren Urlaub hier am See verbringen? Das saubere Wasser genießen und abends ein paar Bierchen trinken? Weil der See sie anlockt. Und das aus gutem Grund!
Mein Appell an die Berufsfischer. Lernt von euren Landsleuten (Müritzer), nehmt den Tourismus doch einfach an. An wenigen Orten in Deutschland habt ihr eine solch einzigartige Möglichkeit, wie hier. Klar ist es traurig einen kulturelle verankerten und schönen Beruf (und das meine ich wirklich so!) aufgeben zu müssen. Aber es gibt doch genügend andere Möglichkeiten als erfahrenes Fischer mit einem Boot auf lange Sicht Geld zu verdienen. Klingelts?

Wenn die zitierten 140 Fischer sich diesbezüglich mal zusammensetzen und das Kaufen von Tageskarten nicht mehr einem unmenschlichen bürokratischen Verwaltungsaufwand unterliegt (in der Regel 4 Tage Bearbeitungszeit bis zur Scheinausstellung), ja, dann könnten wir die nächsten Jahre noch ALLE ne richtig gute Zeit am Bodensee haben. Es ist mein und unser Heimatgewässer und es birgt riesiges Potential. Lasst uns vorsichtig damit umgehen.