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Baraccus

Dr. Jerkl & Mr. Bait
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Warum man nicht mit jeder Baitcaster jedes Ködergewicht werfen kann.

Mit welcher Baitcaster kann ich meine bevorzugten Ködergewichte werfen? Diese Frage stellen Neueinsteiger hier mit am häufigsten. Da es jetzt schon einen Sticky mit einer Auflistung der Rollen (und ihrem Einsatzbereich) gibt, jetzt hier noch die Theorie dahinter.
Während nach Oben hin meist nur Grenzen durch die Robustheit der Rolle gesetzt sind, sieht es mit den leichtesten noch werfbaren Ködergewichten anders aus.

Bestimmende Größen sind hier (wenn man alle Bremsen offen hat) die Art und Qualität der Achsenlager (Reibung) und das Gewicht der Spule samt Schnurfüllung (Trägheit). Auch die verwendete Schnur, Luftwiderstand des Köders in Relation zu seinem Gewicht sowie die Rute spielen eine Rolle.

Die Lager:

Die Achse der Spule ist auf beiden Seiten von Kugelagern gefasst. Diese sind die für die Wurfperformance entscheidenden Lager.
Spulenachsenlager mit geringen Toleranzen (ABEC-Klasseneinteilung) und hoher Qualität haben eine geringe Reibung. Es ist somit weniger Kraft nötig, die darin gefasste Spule in Rotation zu versetzen und sie verharrt auch länger in Bewegung.
Spule und Lager müssen als Einheit betrachtet werden. Beides zusammen entscheidet über Wurfweiten und verwendbares Ködergewicht. Die Lager über die Reibung, die Spule über ihre träge Masse.

Zusatzwissen:
Dabei ist zu beachten, dass auch das Fett/Öl in den Lagern (je nach Viskosität mehr oder weniger) Widerstand erzeugt. Es besitzt eine innere Reibung und muss zusätzlich von den Kugeln verdrängt werden. Ölfreie/fettfreie Lager können daher "schneller" aber lauter gegenüber den baugleichen gefetteten Lagern sein. Das Fett/Öl dient hier mehr der Verschleißminderung und dem Korossionsschutz. Es kann außerdem genutzt werden, um die Lager gezielt etwas "langsamer" zu machen. Ein Öl mit sehr niedriger Viskosität hingegen, kann aber durchaus insgesamt eine Reibungsverminderung bedeuten. Die Lager sind dann mit Öl schneller. Hier ist der reibungsmindernde Effekt des Ölfilms zwischen den Kugeln und Laufbahn höher, als die Reibung/Verdrängungwiderstand im Öl selbst.


Hochwertige Lager sind mit ein Grund, warum Baitcaster für leichte Köder etwas teurer ausfallen.

Die Spule:

Physikalisch betrachtet besitzt die Spule aufgrund ihres Gewichtes (inklusive Schnur) eine gewisse Trägheit, die überwunden werden muss, um sie zu einer Drehbewegung zu veranlassen.
Die Trägheit ist die Eigenschaft von Körpern, in ihrem Bewegungszustand zu verharren, solange keine äußere Kraft auf sie einwirkt. Je größer die träge Masse eines Körpers (Spule) also ist, umso weniger beeinflusst eine auf ihn einwirkende Kraft seine Bewegung.
Das bedeutet: Hohes Spulengewicht erfordert größere Kraft für eine ausreichend starke Drehbewegung.
Diese Kraft kann nur aus dem durch den Wurfschwung in Bewegung gesetzten Köder kommen. Je leichter der Köder, umso geringer die mögliche Kraft. (Denn Kraft ergibts sich aus der Masse des Köders multipliziert mit seiner Beschleunigung.)

Der Grund für die absolute Ködergewichtsuntergrenze:

Tastet man sich mit den Ködergewichten nach unten, ist irgendwann ein Punkt erreicht, wo der Köder zu leicht ist. Die ganze Kraft aus seiner Beschleunigung wird verbraucht, um die Trägheit der Spule zu überwinden. Für den Flug selbst bleibt keine Energie. Der Köder plumst vor einem ins Wasser, während die Spule evt. noch beginnt zu rotieren.
Für leichte Köder werden also leichte Spulen nötig, die Fertigungs/Materialbedingt wiederum den Preis der Baitcaster erhöhen.


Gewicht/Luftwiderstand-Verhältnis des Köders:

8 Gramm sind nicht gleich 8 Gramm beim Werfen. Zwar wird die Spule in Rotation versetzt und der Köder beginnt zu fliegen, aber was danach geschieht, ist gänzlich verschieden.
Köder mit geringem Luftwiderstand (Blei) werden nur wenig gebremst im Flug. Sie garantieren einen sich relativ gleichmäßig verlangsamenden Flug, der leichter zu kontrollieren ist, ohne das sich die Spule überschlägt. (Überschlagen bedeuted, dass die Spule schneller Schnur abspult, als der Köder im Flug weiterziehen kann. Auch backlash oder bird´s nest genannt.)
Versucht man diesen Wurf mit einem unförmigen Wobbler (hoher Luftwiderstand) gleichen Gewichts, wird dieser seine Fluggeschwindigeit schneller reduzieren als das Blei.
Es wird wesentlich schwieriger, die Spulendrehzahl (über die Wurfbremsen der Rolle oder den Daumen) der Fluggeschwindigkeit des Köders anzupassen.
Hochwertige Rollen für leichte Köder, die ohnehin wesentlich besser bei geringen Ködergewichten "starten", vereinfachen dies. Muss ich erst Schwung holen wie verrückt, damit der Köder überhaupt fliegt, werde ich kaum Kontrolle über das Spulenverhalten haben.


Die Rute:


Die Bedeutung der Rute wird oft vernachlässigt. Sie fällt hier stärker ins Gewicht als bei Stationärrollen. Eine Rute, deren Wurfgewicht an die Köder die ich werfen will angepasst ist, überträgt die Bewegungsenergie des Köders effizienter auf die Spule und verstärkt sie.
Sie lädt sich auf wie ein Flitzbogen und nach Freigabe der Spule durch den Daumen, wird die im Blank gespeicherte Energie frei und ermöglicht weitere Würfe als zu stark gewählte Ruten.
Daher haben Profis oft sehr viele Kombos, wobei jede einen sehr engen Wurfgewichtsbereich abdeckt. Neben dem Wurfgewicht spielt auch die Aktion der Rute mit hinein. Sehr schnelle/steife Ruten mit Spitzenaktion laden sich oft schlechter auf, vermitteln aber ( z.Bsp. beim Jiggen) mehr Ködergefühl. Hier gilt es einen Kompromiss zu finden.
Leider muss man oft selbst herausfinden, welche Rute sich bei welchen Gewichten gut auflädt. Die Herstellerangaben sind in der Regel sehr wage und können nur eine ungefähre Ahnung geben.


Am Ende noch ein Hinweis. In der Regel laufen gerade bei leichteren Baitcastern die Schnurführungen beim Wurf nicht mit. Dies ist durchaus sinnvoll. Durch die in der Mechanik vorhandene Reibung, würde dem Köder noch mehr Bewegungsenergie verloren gehen und die Wurfweite würde entsprechend geringer. Bei schwereren Baitcastern gibt es Modelle, bei denen die Schnurführung mitläuft. Da hierbei relativ hohe Ködergewichten genutzt werden, erzielt man troztdem ausreichende Wurfweiten.
 

NorbertF

Master of Desaster
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Danke Baraccus,

ein super Beitrag. Wäre schön wenn wir hier noch mehr Basiswissen in ähnlich aufbereiteter Form sammeln können. Ich werde den Thread auch sauberhalten, so daß nur harte Fakten drinstehn.
Also bitte nicht böse sein, wenn eher nicht passende Beiträge verschwinden.
 

Baraccus

Dr. Jerkl & Mr. Bait
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So, habe unter Mithilfe von Raubfischpolizei mal Grundsätzliches überarbeitet. Wenn noch etwas verändert werden soll, oder ich es wieder geschafft habe Rechtschreibfehler zu hinterlassen, bitte ich wieder um PN an mich.
 

TackleKing

Dr. Jerkl & Mr. Bait
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Gibt es eigentlich Überlegungen bezüglich der Auswirkung auf die Wurfweite der beiden Punkte
a) Füllgrad der Spule und damit dem Hebel zur Beschleunigung der Spule und
b) dem damit verbundenen Gewicht der Schnur, die ja mit beschleunigt werden muss?

Oder einfach, was wirft weiter: Die gleiche Rolle mit der gleichen Schnur mit viel Schnur drauf oder mit wenig Schnur drauf?

Mag eine Randbetrachtung sein, kam mir nur kürzlich in den Sinn.
 

Zanderlui

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Gibt es eigentlich Überlegungen bezüglich der Auswirkung auf die Wurfweite der beiden Punkte
a) Füllgrad der Spule und damit dem Hebel zur Beschleunigung der Spule und
b) dem damit verbundenen Gewicht der Schnur, die ja mit beschleunigt werden muss?

Oder einfach, was wirft weiter: Die gleiche Rolle mit der gleichen Schnur mit viel Schnur drauf oder mit wenig Schnur drauf?

Mag eine Randbetrachtung sein, kam mir nur kürzlich in den Sinn.

Würde sagen hängt vom werfenden Gewicht ab...
 

TackleKing

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Nenene :-D
unabhängig vom Gewicht natürlich auch! Ceteris paribus sozusagen
 

- Boris -

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Für die untere Wurfgewichtgrenze ist das Gesamtgewicht der Spule inkl Schnur maßgeblich.
Allerdings verringert ein relativ geringes Gesamtgewicht auch die maximale Wurfweite bei etwas schweren Ködern.
Für kurze Würfe ist der Hebel bei einer vollen Spule natürlich günstiger - evtl wird dieser Effekt bei längeren Würfen aber wieder aufgehoben oder sogar umgekehrt.
Extrem leichte Spulen sind für weite Würfe jedenfalls eher kontraproduktiv.

Letztendlich hängt es aber mal wieder von mehreren Faktoren ab. Ich persönlich mag jedenfalls keine komplett gefüllte Spule und bevorzuge 1-2mm Luft unterhalb der Spulenkante.
 

Conair76

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Allerdings verringert ein relativ geringes Gesamtgewicht auch die maximale Wurfweite bei etwas schweren Ködern.
...
Extrem leichte Spulen sind für weite Würfe jedenfalls eher kontraproduktiv.
Das musst Du aber erklären. Welche mechanischen / physikalischen Effekte sind dafür verantwortlich?
 

- Boris -

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Masseträgheit - wenn die Spule erst einmal rotiert, dann dreht sich diese deutlich länger.
Dies kann man zum Beispiel wunderbar beim Vergleich einer Standardspule mit einer Tuningspule beobachten. Sofern die gleichen Lager verbaut sind, wird sich die Standardspule deutlich länger drehen.
 

Conair76

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Aber sollte nicht die gleiche kinetische (Köder-) Energie, dann eine geringere Trägheit schneller beschleunigen und zu höheren Drehzahlen antreiben? Ich glaube hier liegt der Hase im Pfeffer, dass die Bremssysteme diese höheren Drehzahlen deckeln müssen und somit dieser Effekt verpufft.

Edit: Weiterhin scheinen Lager bei höheren Drehzahlen auch eine höhere Verlustleistung zu haben.
 
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TackleKing

Dr. Jerkl & Mr. Bait
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Hm, bei einer vollen Spule muss diese ja auch nicht so schnell gedreht werden, um die gleiche Menge Schnur abzugeben.
Ich glaub, wir brauchen bald ein Labor :D
 

- Boris -

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Aber sollte nicht die gleiche kinetische (Köder-) Energie, dann eine geringere Trägheit schneller beschleunigen und zu höheren Drehzahlen antreiben?

Ja, aber zu hohe Drehzahlen müssen auch wieder eingebremst werden, damit sich die Spule nicht überschlägt. Um so schwerer ein Köder ist bzw umso besser dieser fliegt oder umso besser dieser von der Rute beschleunigt wird, desto höher dürfen letztendlich auch die Drehzahlen sein.
Aber tendenziell sind die Drehzahlen ja eigentlich zu hoch, weshalb man diese mit den verschiedenen Bremsen wieder herunter reguliert.
Naja - und eine schwerere Spule dreht bei gleicher Start-Drehzahl einfach länger. Deswegen erkauft man sich eine bessere Performance im unteren Bereich i.d.R mit einer schlechteren Performance im oberen Bereich.
 

Conair76

Dr. Jerkl & Mr. Bait
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Genau, so macht es theoretisch Sinn und deckt sich auch mit meinen praktischen Erfahrungen.
 

Evil_Invader

Barsch Vader
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Wobei die Drehzahl ja während des Wurfs nicht konstant bleibt. (Scheiß Reibung wa :wink:) Genausewenig wie die Geschwindigket des Köders. Leider verhalten sich beide unterschiedlich und wir müssen einen leichten Bremskraftüberschuss erzeugen um das aufwerfen der Schnur zu vermeiden.

Aber zurück zur Praxis. Ich arbeite gerne mit gut gefüllten (1-2mm unter Spulenrand) Spulen, da ich das durch den größeren Hebelarm erzeugte Losbrechmoment von Vorteil finde. Muss aber dazu sagen, dass dies alles mit Standardgerät geschieht. Tuning iss nich so meins.
 

Fidde

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Es ist schon so, dass ein langer Hebel bei einer vollen Spule diese leichter in Bewegung versetzt, aber der positive Effekt vom Gewicht der Schnur aufgefressen wird. Deshalb ja auch eine shallow Tuningspule, diese ist leicht und hat einen langen Hebel.
Nach der Theorie ist es auch so, dass geringe Lagertoleranzen nicht automatisch den leichten Lauf begünstigen. Hier ist es in der Praxis eher so, dass der Effekt durch höherwertige Materialien und präzieser gearbeitete Bauteile (z.B. Rundheit der Kugeln) erreicht wird. Ein strammes Lager wird nie so gut laufen wie eines das etwas Spiel hat. Deshalb ist der reine ABEC wert eher Nebensache!

Soweit die Theorie von mir, ohne überzogenen Anspruch auf absolute Richtigkeit.
 

Evil_Invader

Barsch Vader
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Das Gewicht der Schnur relativiert sich imo. Wie schwer sind 30m 0,5er Mono die du brauchst um eine Non Shallow Spool zu unterfüttern?


Aber ich denke letztendlich entscheiden hier persönliche Vorlieben. Solange der Köder nass ist klappts auch mit dem Fisch.
 

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