Wie "leer" sind unsere Gewässer wirklich.....

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dietmar

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Das hat meiner Meinung nach sogar einen großen Einfluss auf das subjektive Empfinden, dass es im persönlichen Umfeld (zu) wenige Fische gibt. Schlägt man eine Angelzeitung auf, oder öffnet man eine einschlägige Internetseite, überall strahlende Sieger, dicke Fische, eitel Sonnenschein, nur um einen herum nicht. Das verzerrt schon mal die Perspektive.

Wenn ich früher Angeln ging, dann war ein Fang nie garantiert. Wer aber sein Metier beherrschte, der hatte eine gute Chance mit einem Abendessen nach Hause zu gehen. Wenn ich heute bei mir im Umkreis von 60 km auf Raubfisch Angeln gehe, dann gehe ich vom Normalfall aus, nämlich ohne auch nur einen Biss wieder nach Hause zu fahren. So sieht es aus. Angeln ist heute spazieren gehen, Geräte testen und Köder abreissen. Ich habe nur eine einzige Ausnahme in Form eines kleinen Vereins im Sauerland mit einer netten Forellenstrecke. Dort fange ich eigentlich immer was, wenn nicht gerade mal wieder die Talsperren im Winter zugefroren waren und die Kormorane 95-98 % des gesamten Forellen Bestandes vernichtet haben. Der Äschenbestand wurde bereit vor Jahren zu 100 % vernichtet, denn in den letzten Jahren konnten bei regelmäßigen Elektrobefischungen keine einzige Äsche mehr nachgewiesen werden.

Petri, Dietmar
 

A von Hönningen

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Wann war genau "früher" und wo hat es stattgefunden?

In den Stadtbach meiner Kindheit leiteten mehrere Metzgereien und eine Gerberei ihre Abwässer ungeklärt ein. Es stank teilweise wortwörtlich gen Himmel. Die sogenannte Kläranlage hielt mit Müh und Not ein paar Feststoffe zurück. Dafür schwammen dort Aitel, so groß wie Graskarpfen. Auf die durften wir Buben frank und frei fischen und ernteten statt der sonst obligatorischen Watsch'n nur ungläubige Blicke, denn diese Aiteln fraßen noch nicht einmal hungrige Hühner. Und vielen bayrischen Seen drohte jeden Sommer der Kollaps, die Faulgase blubberten lustig vor sich hin.

Heute hat der Bach wieder einen netten Bestand an Bachforellen, Äschen und normalwüchsigen Aiteln, vom Verein eifersüchtig bewahrt und verteidigt. Und in den Seen wachsen die Renken nicht mehr richtig ab, weil das Wasser zu sauber, zu oligotroph ist.

Wann war, oder ist es jetzt besser? Und vor allem wie wollte es man für die Zukunft verbessern? Das sollte uns interessieren, jedenfalls mehr, als das beklagen von Vergangenem!
 

Barschbernd

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Wann war, oder ist es jetzt besser? Und vor allem wie wollte es man für die Zukunft verbessern? Das sollte uns interessieren, jedenfalls mehr, als das beklagen von Vergangenem!

Genau das halte ich für die richtige Fragestellung! Und dabei darf man sich nicht nur auf einzelne Faktoren konzentrieren. Intakte Bäche und Flüsse in der Forellen- und Äschenregion waren früher mäandernde nährstoffarme Gewässer, die komplett vom Uferbewuchs beschattet und geschützt wurden. Gleiches gilt für heute oft begradigte Niederungsflüsse und -bäche. Befischt wurden unsere Gewässer schon von jeher. Bis zur Industrialisierung anfangs des 19.Jh. konnte man sicherlich auch von ökologisch intakten Gewässern sprechen, Gewässern, denen wir seit dem Einfluss grüner Politik nun Stück für Stück wieder näher kommen. Das hat aber auch zur Folge, dass einige Arten, nämlich jene, die mit der Verschmutzung/Trübung... gut klar kamen, dort verschwinden und andere wieder zurück kommen. So kannte ich bis ca. 2000 keinen Rapfen in der Elbe. Dafür gab es jede Menge Kaulbarsche, die heute rückläufig sind. Daran ist sicher nicht der Kormoran schuld und auch nicht der Wels als besetzter Eindringling. Wenn wir von der Elbe langfristig sprechen, dann geht es da übrigens um Stör, Lachs und Maifisch als Haupteinnahmequelle der Fischer. Die fingen ihren Fisch bis zur Industrialisierung ohne Rückgänge und trotz Kormoran.
Auch an dem von mir oben genannten See ist nicht der Kormoran schuld am Verschwinden der Zander, sondern das Aufklaren durch die Einstellung der Kiesförderung. Die können sich dort einfach nicht mehr fortpflanzen und die Entnahme hat das Verschwinden nur beschleunigt.

Wenn wir hier also Ziele für die Zukunft formulieren wollen, sollten wir die Gesamtheit unserer Gewässer im Blick haben. Dazu gehört nicht nur die Verbesserung der Wasserqualität. Renaturierung heißt auch, Wasserläufe wieder frei enstehen zu lassen, den Uferbewuchs wieder herzustellen (und zwar so, dass die Biber nicht alles platt machen können ;-) ) und damit viel weniger zugängliche Angelstellen.

Mein Hausgewässer ist übrigens ein solch intaktes Gewässer, ein großer Natursee, an dem der Fischer keine Probleme mit dem Einflug von oft einigen hundert Kormoranen (Danke an Meridian für die Angaben aus Zählungen!) ab dem Spätsommer hat. Einfach weil es genug Fisch für alle gibt, für die Angler aber sehr schwer zu erreichen, keine Möglichkeit zum Guiding und kein Bootsverleih ;-).
 

A von Hönningen

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Man darf vor allem eines nicht übersehen. Völlig unangetastete, absolut naturbelassene Gewässer weisen erstaunlich geringe Stückzahlen an Fischen auf und auch die Artenvielfalt ist meistens deutlich geringer, weil es ja nicht zu menschgemachten Besatzmaßnahmen kommt. Solche Gewässer sind auch richtig anglerunfreundlich. Die Ufer wild verwachsen, jede Menge Schwemm- und Totholz und alles garniert mit tiefstgründigen, sumpfigen Verlandungsflächen und Schwingwiesen. So richtig völlig unaufgeräumte Natur eben. Schön anzusehen, aber bestimmt kein Anglerparadies. Und das schöne ist, solche Seen und Flüsse gibt es immer noch; mitten in Deutschland. Als Beispiel will ich mal die Seen der Seeoner Seenplatte, nördlich des Chiemsees anführen. Da ist es an den meisten Kleinseen und Bächen noch so, wie am ersten Tag. Aber auch nur deswegen, weil der Naturschutz des Landes Bayern dort quasi jeden aussperrt und nur auf bestimmten Wegen kanalisierten Zugang ermöglicht.
 

Barschbernd

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Ausgesperrt wird an meinem Hausgewässer keiner. Man kann super mit dem Fahrrad um den See fahren und über den breiten Schilfgürtel schauen ;-). Ein paar Anleger und Stege, die frei zugänglich sind, bieten dann auch eine Möglichkeit zum Angeln. Wenn man privat Urlaub macht, kann man vielleicht auch vom privaten Steg oder Boot fischen. Haupteinnahmequelle sind übrigens Baden, Surfen und Segeln...und der Fisch beim Fischer.
 

A von Hönningen

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Vielleicht falsch rübergekommen. Das ist nicht mein Hausgewässer, niemands Hausgewässer. Es soll als Beispiel dafür dienen, wie es aussieht, wenn alles maximal naturbelassen ist. Mein Hausgewässer ist u.a. ein großer, alter Baggersee. Mit einer Badeanstalt, einem kleinen Bootsverein, uns Anglern und erstaunlicherweise keinerlei Interessenkonflikten. Und natürlich direkt vor der Haustüre der Rhein. Aber ich kann und will mich nicht beschweren.
 

Bassking

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Ich will mich auch nicht beschweren,

gerade der Rhein ist doch ein herrliches Gewässer.

Gestern den frivolen Versuch unternommen, an einem sog. HotSpot einen Zander zu fangen.

Selbstverständlich erfolglos. Natürlich war der Platz, eine Hafeneinfahrt, von 3 Anglern belegt und es kam wie so oft gar Nichts raus.
Einzige Beute waren 3 leere Päckchen Friedfischhaken achtlos zurückgelassen.
Es ist eine herrliche angelei am Rhein besonders in der nostalgischen Phantasie fängt man immer noch und täglich.

Aber im ernst es gibt sie, die strahlenden Fänger , die immer noch sehr gute Fische fangen .
Die Investieren täglich oder wenigstens das ganze Wochenende Stunde um Stunde , fahren viele stellen an und schleichen Nachts mit Kopflampe
durch die Hafenbecken.
Auf 10Std. Intensivstation Angeln kommt dann ein pracht Räuber.
Geil.
Muss ich mir nicht mehr geben, das können besser die Dauerstudenten oder extremen Typen durchziehen - Gruß an Herrn Z. D. :wink:

Unterm strich bleibt ein Gewässertyp, der mit hohem Aufwand Erfolge bietet, für die manch ein Angler in leichteren Gewässern eine stunde angelzeit benötigt.

Is so.

Bassking
 

dietmar

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Man darf vor allem eines nicht übersehen. Völlig unangetastete, absolut naturbelassene Gewässer weisen erstaunlich geringe Stückzahlen an Fischen auf und auch die Artenvielfalt ist meistens deutlich geringer, weil es ja nicht zu menschgemachten Besatzmaßnahmen kommt.

Wie kommst Du darauf? Das hängt ab vom Gewässer. Nimmst Du einen einsamen abgelegenen Bach in Neuseeland, dann findest Du dort in der Regel einen "Hausherren" in Form einer sehr großen Bachforelle, die alle Konkurrenten verspeist oder verjagt. Nimm den Rhein vor 20 Jahren, da wurde nichts von Vereinen besetzt. In manchen großen Flüssen Schwedens oder Norwegens hättest Du früher dank der Fischdichte den Fluss fast trockenen Fußes überqueren können.

Noch vor 15 Jahren war die Diemel ein Äschenparadies. Da wurde nichts besetzt, weil man schlicht noch nicht wusste, wie man Äschen züchten kann. Heute ist die Äsche dort vom Aussterben bedroht.

Petri, Dietmar
 

NorbertF

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Dem stimme ich zu. Ich wollte selbst nichts sagen, aber auch ich kenne naturbelassene Gewässer an denen nie besetzt wurde, die so voll Fisch sind, dass man den Boden nicht sieht.
 

Barschbernd

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Noch vor 15 Jahren war die Diemel ein Äschenparadies. Da wurde nichts besetzt, weil man schlicht noch nicht wusste, wie man Äschen züchten kann. Heute ist die Äsche dort vom Aussterben bedroht.

Und die Diemel ist ein naturbelassener Fluss? Wen ich danach google, finde ich gleich Karten mit Begradigungseinträgen und Hinweise auf Nitrateinträge durch intensive Landwirtschaft :?:.
 

Revilo62

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Ich kenne kein naturbelassenes Gewässer, spätestens mit dem Besatz von Kapfen oder Zander,Wels ist es damit vorbei.
Dennoch gibt es zahlreiche Gewässer, die werden wieder naturnah bewirtschaftet, aber es dauert eben eine ganze Weile, bis sich Bedingungen einstellen, wo man davon ausgehen kann, dass sich die Bestände selbst regulieren können.
Mal abgesehen von den Flüssen, es gibt eine Reihe von Seen, wo relativ behutsam mit Besatz umgegangen wird , auch ohne Aussperrungen.
Das dabei die Artenvielfalt rückläufig ist,muss jedem einleuchten, d.h. aber auch in den meisten Gewässern Ade`Zander, Wels, Karpfen etc.

Tight Lines aus Berlin
 

Barschbernd

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Die Selke im Harz kann man da als Beispiel für einen weitgehend naturbelassenen Gebirgsbach/-fluss nennen. Da funktioniert's auch mit den Salmoniden. Obgleich der Harz bis zur Gewinnung von Holzkohle für die Erzverarbeitung komplett mit Mischwäldern überzogen war und Wiesenabschnitte gar nicht vorkamen. Nicht umsonst enden viele Orte im Harz auf -rode.
 

strasse93

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Man sieht es ja allein schon an Bächen und Flüssen, dass an kaum erreichbaren Strecken sich Fisch an Fisch reiht und ein riesen Artenspecktrum vorhanden ist und an Stellen in der Nähe von Brücken und Parkplätzen die Satzforellen "periodenweise" regieren ...

Was ich jedoch nicht verstehen kann ist, warum trotz viel Nahrung und kosequenter Knüpplung aller Raubfische, die Weissfische in den alten Baggerseen nicht massenweise auftretten, obwohl laichmöglichkeiten usw passen müssten...
 

bassgalore

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Hallo zusammen,

seit 2011 gibt es in Bayern einen Fischzustandsbericht, das Monitoring wurde in allen Regierungsbezirken durchgeführt und gibt eine sehr genaues Bild ab was in unseren Gewässern schwimmt oder nicht (mehr) schwimmt. Pdf zum download: http://www.lfl.bayern.de/publikationen/informationen/064029/

Noch vor 15 Jahren war die Diemel ein Äschenparadies. Da wurde nichts besetzt, weil man schlicht noch nicht wusste, wie man Äschen züchten kann

@Dietmar.
n.m.k. wurde die Äsche wurde bereits 1928 erfolgreich reprodziert und ab Ende 45 sogar exportiert.

Was ich jedoch nicht verstehen kann ist, warum trotz viel Nahrung und kosequenter Knüpplung aller Raubfische, die Weissfische in den alten Baggerseen nicht massenweise auftretten, obwohl laichmöglichkeiten usw passen müssten...

@Strasse
der limitierende Faktor ist das vorhandene Phospor als Nährstoff für das Phytoplankon und folgedessen auch für's Zooplankton.

tl

Sven
 

NorbertF

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Den Bericht gibt es für das große (und mal großartige) Salmonidengewässer vor meiner Haustür auch. Der Bericht kam auf 90% Auslöschung des Bestands durch Kormoranprädation. Das durfte aber wohl nicht so an die Öffentlichkeit, deshalb wird seither keiner mehr publiziert. Den letzten der live ging habe ich aber noch...
 

Fr33

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Kann mal bzw. der Aufklarung der Gewässer festhalten, dass die Reproduktionsrate vieler Fischarten einfach nicht mehr in dem Maße stattfindet, wie beispielse in unseren früheren "dreckigen" Gewässern?
 

NorbertF

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