Erinnerung an Patagonien: Wandern und Fischen in Torres del Paine

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Pinocchio

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Vorweg: Dieser Bericht ist etwas verträumter geworden, als ich geplant hatte.

Wenn die Schonzeit auf Bachforellen beginnt, beginnt meine Winterangelpause, indem ich mein Angel-Logbook des Kalenderjahres Revue passieren lasse. Das Jahr 2025 hat 27 Einträge, also 27 Angeltage. Heute habe ich irgendwie das Bedürfnis, den ersten Eintrag aus dem Logbook mit jemandem zu teilen: Angeln in Torres del Paine, Patagonien.

Im Vordergrund stand nicht das Angeln, sondern eine achttägige Wanderreise im genannten Nationalpark (der sog. O-Circuit). Wenn alles nach Plan laufen sollte, würde ich am Tag der Abreise auch angeln gehen. Die Vorbereitung für die Märzreise begann schon zu Jahresbeginn. Um meinen Rücken und Nacken an das Gewicht zu gewöhnen, begann ich damit, mit einem Rucksack in die Arbeit und auch anderswo zu gehen. Über die Wochen habe ich das Gewicht gesteigert und bin letztlich bei etwa 20 kg angekommen. Beim ersten Packversuch stellte sich heraus, dass wir sowohl platzmäßig als auch gewichtsmäßig den notwendigen Proviant nicht unterkriegen werden. Also haben wir uns entschieden, doch Outdoor-Nahrung zu besorgen. Am Ende hatten unsere Rucksäcke mit Proviant, Zelt, Schlafsäcken und dem Rest 20 und 14 kg. Abwechselnd würden wir täglich ein halbes Kilo weniger haben, durch das Essen, das wir aufessen. Neben dem Rucksack im Duffelbag kam dann eine Reiserute, eine Rolle und eine Handvoll Kunstköder – für den Fall, dass alles nach Plan läuft.
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[Foto 1: Lecker sieht anders aus]

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[Foto 2: Die Angelausrüstung ist in den Tiefen des Duffel Bags]

Die Anreise war unendlich. Für meine Begleiterin war es weniger schlimm, sie kann immer und überall schlafen. Ich leider nicht, und so habe ich während der 40-stündigen Reise nach Punta Arenas das eine mitgenommene Buch gelesen und gefühlt ein dutzend Spielfilme geschaut. Entsprechend war ich KO, und die Sorge, dass mir die Erschöpfung wie im Jahr davor zum Verhängnis wird, war groß: eine mehrtätige Wanderreise musste wegen Erschöpfung, Grippe und letztlich einer Lungenentzündung bei etwa 4500 hm abgebrochen werden. Doch das sollte sich nicht wiederholen.

Punta Arenas hatte etwas. Das Gefühl vom Ende der Welt. Mit dem Bus sind wir auch in der Nähe der Magellanstraße gefahren – hat auch etwas Geschichtliches und Nostalgisches. Zu meiner Freude fanden wir heraus, dass Lammfleisch eine Spezialität in diesem weiten Fleck der Erde ist. Das sollte auch die letzte echte Mahlzeit für die nächsten neun Tage sein.

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[Foto 3: Eine typische Straße in Punta Arenas]

In Torres del Paine gibt es drei bekannte Wanderwege: den O-Circuit (~120 km), den W-Track (~70 km) und die Tagestour zur Base de las Torres (~18 km). Wir haben den O-Circuit geplant, der die zwei anderen Touren mitbeinhaltet. Die Wandertour ist so organisiert, dass man sich vorab in die einzelnen Campsites einbuchen muss. Der Teil ist sehr geregelt, und wir haben gleich am ersten Camp miterlebt, wie Leute, die keine Reservierung hatten, zurückkehren mussten – sie durften nicht bleiben und auch nicht weiter wandern. Das bedeutete, dass wir in den acht Tagen an den Camps immer wieder mit denselben 20–30 Leuten übernachteten, zumindest die ersten vier Tage des O-Circuits. Ab dem Punkt, wo dann auch der W-Track beginnt, gab es neue Gesichter. Tagsüber haben wir alleine gewandert, und dann am Campingplatz gemeinsam mit anderen „gekocht“ und geplaudert. Mit einem Paar sind wir noch immer in Kontakt. Sie sind aus Australien und haben ihre Südamerikareise mit dieser Wanderung begonnen. Heute sind sie in Kolumbien und werden zu Weihnachten die fast einjährige Reise beenden.

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[Foto 4: Habe oft daran gedacht in den nächsten 8-9 Tagen]

Die ersten vier Tage waren sehr anstrengend. Das Wetter kann ich nicht beschreiben, ohne die Forenregeln zu brechen. Wind, Regen, Schnee. Eigentlich: Sturm, horizontaler Dauerregen und Schneesturm. Am Ende des ersten Tags war alles nass. Schuhe, Socken, Innenzelt, Matratzen... Zum Glück war das Innere des Schlafsacks trocken. Den ersten Fluss am ersten Tag haben wir versucht, noch taktisch zu überqueren. Ab dem zweiten Fluss sind wir dann einfach durch, es war ja sowieso alles nass. Unser Regenschutz ist noch am ersten Tag weggeflogen. Alles, was nicht festgebunden ist, wurde weggeweht. Die Regenponchos haben uns gerettet, nur haben wir sie zu spät angezogen. Die Rucksäcke ohne den Regenschutz haben dem Starkregen nicht lange den Inhalt trockengehalten. Beim Starkregen Zelt aufbauen und abbauen. Morgens in nasse Socken und Schuhe steigen… Bei diesen Erinnerungen wundere ich mich gerade, wieso diese Reise eine meiner schönsten Reisen gewesen ist.

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[Foto 5: Die letzte Erinnerung an den Regenschutz. Ab hier wurde selten fotografiert]

Am vierten Tag gab es dann eine kritische Überquerung Richtung Gletscher. Wir sind nass losgegangen, bald wurde der Dauerregen zu Schnee. Keine Markierungen, nichts. Ohne den Garmin hätten wir ein großes Problem gehabt. Wir waren die ersten, die aufgebrochen sind. Oben angekommen hörte der Schnee langsam auf, aber der Wind hat nicht nachgelassen. Nächste Flussüberquerung: vereist. Nach zwei Schritten und Jonglieren auf einem Stein, der herausragt, verliere ich das Gleichgewicht (der Wind hat dazu beigetragen), das Eis kann meinen zweiten Fuß nicht halten, ich breche durch. Es ist nur knietief, und ich denke mir: „F*ck it.“ Ich gelange auf die andere Seite und sage meiner Verlobten, sie soll einfach meinen Schritten durch Wasser folgen. Es geht weiter, wir sehen den Gletscher, mir ist aber nicht danach, das Handy fürs Fotografieren zu nehmen. Endlich geht es bergab und wir kommen zu den ersten Bäumen. Windschutz – wir haben es geschafft. Wir kommen zu einer Ranger-Station und machen uns das Mittagessen. Lange können wir nicht bleiben, es ist kalt und alles ist durchnässt. Weiter geht’s, und dann, nach ein paar Stunden, kommt uns zum ersten Mal jemand entgegen. Soldaten. Später wird sich herausstellen, dass oben bei dem vereisten Fluss die Mutter eines Teenagers unglücklich gefallen ist und sich das Bein gebrochen hat. Offener Bruch. Wegen des Winds musste sie übernachten, die Soldaten haben sie versorgt und am nächsten Tag wurde sie mit dem Helikopter abgeholt.

Endlich hat der Regen aufgehört. Alles, was wir haben, haben wir aufgehängt. Jetzt sind wir dem Wind dankbar – er trocknet sehr schnell. Nach langer Zeit sind wir trocken, ein unglaubliches Gefühl. Es ist uns fast egal, dass wir nun am W-Track sind – hier gibt es viel mehr Leute. Es wird touristischer. Am nächsten Morgen müssen ein paar Leute abbrechen – ab hier ist es auch möglich, weil von hier Schiffe fahren. Der Grund für den Abbruch sind keine Verletzungen oder Ermüdung: Alle haben die Sachen über Nacht getrocknet, aber nicht alle haben gelesen, dass es hier viele Füchse gibt, die gerne Schuhe klauen. So mussten wir uns von ein paar netten Leuten verabschieden, die ohne Schuhe nicht weitergehen konnten.

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[Foto 6: Endlich wurde es trocken]

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[Foto 7: Wasser gab es genug, nicht alle haben es vertragen]

Es blieb bis zum Ende der Wanderung trocken. Die Rucksäcke wurden leichter. Es schmerzte zwar alles, aber wir wurden schon langsam traurig, dass sich die acht Tage einem Ende näherten. Zeitgleich freute ich mich aber: Es sieht gut aus – ich könnte tatsächlich am Tag der Abreise fischen. Es ist ein Nachtflug…

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[Foto 8: Glacier Grey]

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[Foto 9: Zum Glück keine Höhenangst]

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[Foto 10: Endlich trockene Schuhe. Der Fuchs blieb fern]
 

Pinocchio

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Die letzte Nacht der Tour war kurz. Um 02:00 aufstehen, um zur Base de las Torres aufzubrechen. Die Nacht ist magisch. Ohne Lichtverschmutzung können wir den Sternenhimmel bewundern. Und einen Puma beim Jagen beobachten – kurz, aber lange genug, um sich unwohl zu fühlen… Wir kommen an und erahnen die berühmten Silhouetten. Die Handykamera saugt das Licht auf und wir bewundern die Aussicht zunächst am Display. Und dann kommt der Sonnenaufgang, und wir werden mit einem wunderschönen Ausblick belohnt. Das „Zuckerl“ dieser letzten Tour: ohne Rucksack! Nun müssen wir aber zurück zum Rucksack und dann zum Bus, dann nach Punta Arenas und morgen hoffentlich zurück zum Nationalpark – an den einzigen Fluss, wo Fischen erlaubt ist...

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[Foto 1: Nachthimmel]

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[Foto 2: Noch ein paar Stunden bis zum Sonnenaufgang]

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[Foto 3: Danke, Sonnengot!]

Die Regularien für das Fischen waren für mich eine Black Box. Ich habe mich entschieden, mit einem Guide zu gehen. Er meinte, dass es nicht sehr viele Gewässer für Spinnfischen gibt (hauptsächlich „fly only“). Und die Saison ist schon am Ende, die King Salmons sind bereits am Sterben. Er warnte mich, dass ich eventuell nur die Aussicht genießen werde. Macht nichts, ich muss ans Wasser! Drei Fischarten sind im Fluss Serrano: Brown Trout, Sea-Run Brown Trout und King Salmon. Die Aussicht ist spektakulär. Die Berge, die ich davor teilweise bestiegen habe, jetzt aus einer anderen Perspektive. Aber ich kann dem Ausblick widerstehen und muss auswerfen.

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[Foto 4: Ausblick]

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[Foto 5: Fischarten]

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[Foto 6: Auf zum ersten Spot]

Der Guide hat keine Erfahrung mit Spinnanglern und auch nicht mit Spinnfischen. Er erzählt mir über sein „schweres Leben“: Von Oktober bis März ist er in Patagonien, April und Mai bei den Eltern in den USA, ab Juni bis September in Alaska. Dann wieder Patagonien... Er möchte in Patagonien leben, der Massenangeltourismus in Alaska macht ihm keinen Spaß. Ich höre zu so gut ich kann, bestaune aber die noch lebendigen Leichen der King Salmons. Bin mir auch unsicher, ob ich glücklich wäre, dass einer von ihnen tatsächlich nach meinem Köder greift. Das Fleisch ist teilweise schon vom Knochen gelöst.

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[Foto 7: Endlich im Wasser]

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[Foto 8: Die Lachse haben ihre Aufgabe erfüllt...]

Zwei Stunden vergehen. Meine Verlobte und der Guide wünschen sich so sehr, dass ich einen Freudenschrei von mir gebe. Er hat uns Essen vorbereitet, ich esse und bin glücklich – aber auch ungeduldig, die Zeit vergeht. Ob sich eine der zwei anderen Fischarten noch melden würde?

Die Antwort kam dann bald nach dem Essen. Der erste Fischkontakt: hängt. Ein kleiner Sea-Run Brown Trout. Ich habe noch knapp zwei Stunden und möchte nicht viel Zeit mit Fotografieren verbringen. Die Sonne hat sich gezeigt, es wird wärmer. Endlich zweistellige Grad, das Wasser wird sich auch um 1–2 Grad erwärmen in den nächsten Stunden. Wieder ein Fischkontakt, ich bin unvorbereitet und verliere den Fisch. Der Guide sagt, ich soll doch die Köder mit Drillingen nehmen, ich bleibe aber bei meinen Tiemco-Spoons – 14 g und Einzelhaken. Wieder ein Biss, er hängt und bleibt hängen. Zwei Fische, alle können aufatmen. Ich wünsche mir aber so sehr meinen Lieblingsfisch – die Bachforelle. Auch wenn dies nicht ihr eigentliches Heimatgewässer ist, auch wenn sie hier vor vielen Jahren aus Europa eingesetzt wurde, hoffe ich so sehr auf die Bachforelle. Während ich hoffe: wieder Fischkontakt. Der ist gut! Der zeigt sich auch nicht, springt nicht aus dem Wasser. Geht in die Tiefe, dann schwimmt er mir entgegen, ich verliere die Spannung, ich verliere den Fisch. Ich bleibe beim Einzelhaken ohne Widerhaken.

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[Foto 9: Der erste Fisch]

In 20 Minuten müssen wir los. Wir sind aber an einem super Pool, es ist tief. Ich wechsle die Farbe – von einem natürlichen Dekor auf Chartreuse. Es ist tief, ich komme nicht so schnell auf den Grund. Ich bleibe bei der Farbe, nehme aber die 18 g. Bin am Boden, jigge den Spoon 1–2 Mal. Nichts. Die Strömung hat nun den Köder unter Kontrolle, ich baue Spannung auf und hole ganz langsam ein. Dann wiederhole ich das Ganze und sage mir: Noch 2× kannst du das machen. Bei direkter Sonneneinstrahlung und klarem Wasser zweifle ich nun an meiner Farbauswahl. Will mich aber konzentrieren und denke darüber nicht nach. Der Köder ist wieder von der Strömung gefangen, ich baue Spannung auf und kurble ganz langsam ein. Ich sehe den Köder und schaue dann weg in die Richtung, wohin ich als Nächstes werfen möchte. Und da denke ich mir: War da ein Schatten aus der Tiefe in Richtung des Köders?
Ja! Er hängt. Bachforelle, das kann ich gleich erkennen. Nicht so groß wie vorhin, aber 60+ wird sie haben. Der Guide springt ins Wasser und hält den Kescher bereit. Der Fisch will aber noch nicht. Der Guide bestaunt die Musik einer Stationärrolle. Der Fisch ist jetzt im Flachen, der Guide – ein typischer Ami, der sich sehr freut, so sehr, dass ich mir denke, das kann nur fake sein. Der Fisch fast beim Kescher, dann im Kescher – dann aus dem Kescher. Ich höre mich nur sagen: „No, no, no!“ Zum Glück blieb er hängen und ist wieder im Kescher. Adrenalin pur… Ich bin überglücklich. Wir machen ein paar Fotos. Er legt den Fisch über den Kescher und sagt, dass er >25 Inch hat. Egal, der erste Teil dieser wunderschönen Reise geht zu Ende.

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[Foto 10: Das perfekte erst Foto im neuen Logbook]

Tight Lines!
 

SchneiderSteffen

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Ich hatte beim Lesen schon Angst dass der Guide vor Freude den Fisch verkeschert! :D

Super Bericht! :hearteyes:
 

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