Wenn Du etwas schreibst ...

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Paul55oo

Echo-Orakel
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1. Mai 2013
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Liebe Gemeinde,


die Beiträge der letzten Tage haben mir zu denken gegeben. Leider inhaltlich eher weniger, dafür aber um so mehr in Bezug auf die Form der Äußerungen. Damit meine ich gar nicht den Tonfall, ich bin ja selber kein Kind von Traurigkeit, sondern vielmehr die Tatsache, dass die Qualität der Wortbeiträge in Bezug auf Stil und Rechtschreibung, na sagen wir ausbaufähig erscheinen.


Für denjenigen, die Ihre Beiträge auch in dieser Hinsicht optimieren möchten, zitiere ich Oliver Heuler (http://golfforum.de/?page_id=7):




„Schreibzeit



  • Jeder hat bisweilen die Neigung, schnell etwas in die Tastatur zu hacken, aber was an Energie beim Schreiben nicht in den Text gesteckt wird, kommt beim Leser an Unterhaltung nicht heraus.
  • Spontan erscheinen Gedanken und Formulierungen, die jeder nutzt, Geläufiges, Weitschweifiges, Allgemeines. Ungewöhnlich, knapp, konkret wird ein Text, wenn der Autor ihn bearbeitet.
  • Es gab bei mir noch nie eine gute erste Fassung eines Textes. Jedes Wort, das den Leser für seine investierte Aufmerksamkeit nicht belohnt, kostet ihn Zeit. Meine Erstfassungen sind voll von Zeiträubern. Wenn ich an die Leser denke, bleibt am Ende von zehn beabsichtigten Wörtern eines, nicht elf. Nach der Schulzeit dachte ich, ein Satz in einem Sachtext sei gut, wenn man ihm nichts hinzufügen kann. Heute finde ich ihn gelungen, wenn man kein Wort streichen kann.


Rechtschreibung



  • In dem Editorfenster gibt es keine Rechtschreibprüfung; Textprogramme verfügen über diese überaus nützliche Funktion. Auf diese Weise ist man außerdem noch sicherer davor, dass bei Browserabstürzen oder Fehlern des Forumssystems nichts verloren geht.
  • Im Internet schreiben manche Autoren alles klein, weil das weniger Arbeit macht. Leider braucht dann der Leser entsprechend länger, um alles zu verstehen.
  • Umlaute (äöü) lassen sich beim Lesen schneller aufnehmen als ae oe ue.
  • Chatsprache (lol, fg, scnr) verstehen viele Leser nicht.




Typografie



  • Fettschrift, Versalien (Großbuchstaben) und Ausrufezeichen ärgern manche Leser, weil sie dahinter intuitiv eine belehrende Haltung und ein Mangel an Selbstzweifel vermuten.
  • Wenn man Satzzeichen hinter den letzten Buchstaben setzt und ein Leerzeichen folgen lässt, entstehen Umbrüche, wie man sie aus Büchern kennt. Setzt man das Leerzeichen vor das Satzzeichen, rutscht das Satzzeichen manchmal in die nächste Zeile und steht dort dann ganz allein.
  • Schaltet man am Ende jeder Zeile einen Zeilenumbruch, müssen die Leser mehr scrollen als nötig.
  • Eine ungewöhnliche Detailtypographie lenkt manche Leser vom Inhalt ab.
  • „Anführungsstriche“ oder »Guillemets« sind für Zitate geeignet, “Zollzeichen” für englische Längenangaben. Vorsicht: Im Editorfenster entstehen Zollzeichen, wenn man die Taste der Zwei drückt und dabei die Hochstelltaste betätigt.




Satzzeichen



  • Mehrere Satzzeichen hintereinander (?!, !!, ??) irritieren einige Leser.
  • Ellipsen (drei Punkte in Folge) unterliegen in Foren einer Inflation und sind in ernsthafter Prosa und Poesie eher selten.
  • Wer Gefühle ausdrücken will, erreicht seine Leser mit Worten oft besser als mit Gefühlssymbolen (aneinander gereihte Satzzeichen).
  • Diesen Satz verstehen die meisten Leser auch ohne dieses Zeichen: ;-)
    »Man stelle sich vor, um wie vieles reicher und ausdrucksstärker die Schriften von Benn und Büchner oder Kleist und Kafka gewesen wären, hätten die Autoren Gefühlssymbole verwandt.«"





Für diejenigen unter Euch, denen das alles schon lange klar war und die meinen Beitrag nicht als Belehrung, sondern eher als Wunsch verstehen, dieses Forum weiter lesenswert zu gestalten: Level 2.



(Diesmal hat sich Ludwig Rainers die Mühe gemacht. Siehe auch: http://www.amazon.de/Stilkunst-Ein-...MJ6_1_1?s=books&ie=UTF8&qid=1394441588&sr=1-1)




Papierdeutsch lernt man leicht; man muss nur die folgenden 18 Regeln beachten. Oder auf Papierdeutsch: man kann sagen, dass, sofern man sich hinsichtlich Beachtung der nächstfolgenden Anweisungen keinerlei Außerachtlassung zuschulden kommen lässt, die Inbenutzungnahme des Papierstils als eine unschwierige zu bezeichnen sein dürfte.

  1. Benütze nie einfache Zeitwörter! Es heißt nicht sein, sondern sich befinden; nicht haben, sondern über etwas verfügen; nicht können, sondern sich in der Lage sehen. Schon Gott hat gerufen: Adam, wo befindest du dich? Jedermann weiß: die Summe aller guten Dinge beziffert sich auf drei. Und: eingutes Gewissen stellt sich als ein sanftes Ruhekissen dar.
  2. Ersetze die echten Zeitwörter durch Hauptwörter, die du mit einem saftlosen allgemeinen Zeitwort verbindest. Es ist ganz ungebildet zu sagen: Meyer starb am 1. April. Es muss heißen: Der Tod Meyers erfolgte am 1. April. Ich vermag nicht in eine mildere Beurteilung der erstgenannten Ausdrucksweise einzutreten.
  3. Bilde fleißig neue Zeitwörter aus Hauptwörtern, zum Beispiel bevorschussen, bevorzugen, beinhalten. Aus solchen Zeitwörtern bilde dann wieder Hauptwörter: Bevorschussung, Bevorzugung. Das Vorbringen des Angeklagten machte einen sehr schlechten Eindruck, denn seine Beinhaltung stand im Widerspruch zu seiner sonstigen Haltung. An die Be inhaltung muss sich der Leser eben gewöhnen.
  4. Bringe möglichst viele Hauptwörter auf ung, heit, keit in Anwendung. Der Stil gewinnt so eine prachtvolle Klangformung, erhält eine schöne Abgezogenheit und ist plumper Verständlichkeit nicht so ausgesetzt. Der Fall ist verwickelt, so ein Satz ist ein gemeines Umgangsdeutsch. Der Fall liegt in hohem Maß verwickelt ist etwas besser. Ganz richtig muss es aber heißen: Die Lagerung des Falles ist eine hochgradig verwickelte. Hätte Luther ein sorgfältigeres Deutsch geschrieben, so würde der Anfang der Bibel lauten:
    Am Anfang erfolgte seitens Gottes sowohl die Erschaffung des Himmels als auch die der Erde. Die letztere war ihrerseits eine wüste und leere und ist es auf derselben finster gewesen, und über den Flüssigkeiten fand eine Schwebung der Geistigkeit Gottes statt.
  5. Setze überhaupt statt kurzer konkreter Hauptwörter lange und abstrakte. Nicht die Wege sind schlecht, sondern die Wegverhältnisse. Es heißt auch nicht zum Schlachten, sondern für Schlachtzwecke; nicht bei Gefahr, sondern in Gefahrsfällen. Sage nicht Einfluss, sondern Einflussnahme! Die deutsche Sprache gestattet beliebige Zusammensetzungen, von der Großvaterwerdung Bismarcks und der In die Luft Sprengung des Hauses bis zur Großeheanbahnung und der Zeit ihres In die Jahre Kommens.
  6. Auch die Verhältniswörter (Präpositionen) sind von unschöner Kürze. Man muss sie daher verlängern. Nicht nach Vorschrift, sondern nach Maßgabe der Vorschriften; nicht mit, sondern unter Zuhilfenahme. Auch Wörter wie seitens, behufs, anlässlich, vermittelst haben einen etwas vornehmeren Umfang als solche Zwerggebilde wie von, zu, bei und wegen. Eile vermittelst Weile. Schon die einst berühmte Stilistik von Karl Ferdinand Becker lehrte: »In Beziehung auf die Schönheit des Stiles ist auf den gehörigen Gebrauch der Nebensätze zu achten.«
  7. Vornehme Länge und wohl abgewogene Unentschiedenheit – die beiden Hauptkennzeichen eines guten Stils – lassen sich auch durch eine vernichtende Ausdrucksweise erzielen. Man sagt also nicht »Der Schaden ist groß«, sondern »Mit der Entstehung eines nicht unerheblichen Schadens dürfte zu rechnen sein.«
  8. Bring in jedem Satz das Wort derselbe in Anwendung. Derselbe gewinnt dadurch logische Klarheit. Auch ein häufiges einerseits – andrerseits gibt dem Satz ein vornehmes Gepräge. Tue einerseits recht und scheue andrerseits niemand.
  9. Für eine ausreichende bzw. vollständige Klarheit ist das Wort beziehungsweise (respektive in Österreich beziehentlich) unentbehrlich. Ich habe Barbara bzw. Andreas eine Puppe bzw. Autos mitgebracht. Lass dir nie einreden, die Wörtchen und bzw. oder reichten als Ersatz aus und Sätze, die dann unklar blieben, wären schlecht gegliedert. »Ich habe Barbara eine Puppe und Andreas Autos mitgebracht« klingt wie gewöhnliche Menschenrede und ist daher ein schlechtes Deutsch.
  10. Sorge dafür, dass die altüberlieferten, ehrwürdigen Kanzleiausdrücke nicht abgeschafft werden. Diesbezügliche Bemühungen bzw. Anstrengungen sind dortseits streng zu unterbinden. In Beantwortung Ihrer geschätzten Anfrage vom … teilen wir Ihnen mit wie folgt … Freilich will das geübt sein. Kein Meister fällt als solcher vom Himmel.
  11. Der Papierstil ist ein kunstvoller, also setze vor derartige Beiwörter stets »ein«. Lass dir auch nicht einreden, man dürfe nur dann sagen die Kirsche ist eine saure, wenn sie zur Art der sauren Kirschen gehöre; der Zeichenlehrer müsse sagen: diese Linie ist krumm und nur der Mathematiker sage: diese Linie ist eine krumme. Das sind Schulfuchsereien. Schon Schiller hat gesagt: Der Wahn ist ein kurzer, die Reue ist eine lange.
  12. Stelle möglichst kein Hauptwort nackt hin, sondern – wenn du kein Beiwort dazusetzen kannst – dann füge wenigstens ein Mittelwort (Partizip) hinzu: die gemachten Erfahrungen, die getroffenen Feststellungen, die erhaltenen Bezüge, die gegebenen Daten, die durchgeführte Untersuchung. Wenn man das Mittelwort weglässt, bleibt der Sinn zwar der gleiche, aber der Satz verliert die abgerundete Schallform. Man soll den Tag nicht vor dem eingetretenen Abend loben.
  13. Baue lange Sätze! Da bekommt der Leser Respekt. Möglichst je Seite ein Satz!
    Falle deshalb nicht mit der Tür ins Haus, sondern schicke jedem Satz einen Vorreiter voraus: Man darf sagen, es versteht sich von selbst, es bedarf keiner Erwähnung, es kann davon ausgegangen werden. Oder: Bevor ich beginne, möchte ich, ohne mich in Einzelheiten zu verlieren, nicht auf die Feststellung verzichten, dass … Auf diese Weise kommt der eigentliche Inhalt schön in den Nebensatz, wo ihn der Leser nicht so schnell versteht. Das ist sehr wichtig; denn wenn der Leser dich schnell versteht, merkt er womöglich gar nicht, dass du viel klüger bist als er.
  14. Wenn du etwas Gesprochenes wiedergibst, so setze es mit Hilfe des Wortes dass in die indirekte Rede. Sie ist weit feiner. Und Gott sprach, dass es Licht werden sollte.
  15. Setze jeden Satz möglichst in die Leideform (Passiv). Die Karten sind von dem Gemeindevorstand zu bestellen. Freilich weiß man nicht recht, ob der Gemeindevorstand die Bestellungen erhalten oder erteilen soll; aber das schadet nichts. Auch kleine Härten kann man beim Passiv in Kauf nehmen: »Mit dem Stadtratbeschluß wurde sich einverstanden erklärt« oder »Die Schulbehörde kam diesem Antrag nach, obwohl auch meinerseits aus Gründen der Überbürdung sich dagegen erklärt worden war.«
  16. Man sage nichts gerade heraus, sondern schwäche es ein wenig ab. Wo ein Wille dazu da ist, dürfte auch ein Weg sein.
  17. Bezeichne alle Dinge recht ausführlich. Es ist oberflächlich zu sagen: er zahlte drei Mark; richtig ist den Betrag von drei Mark. Es heißt auch nicht: auf zwei Jahre, sondern auf die Dauer von zwei Jahren.
    Man kann gar nicht ausführlich genug sein; das dumme Volk der Leser versteht es sonst nicht. Wie viel Unglück kann aus so unklaren Zwergsätzen entstehen wie: Alle Mann an Deck. Im guten Deutsch heißt es: Die unter Deck befindlichen Fahrgäste einschließlich des Personals haben sich mit sofortiger Wirkung an Deck zu begeben.
  18. Wenn du alle diese Kunstmittel geschickt verbindest, dann wirst du den Kanzleistil zum wirklichen Geheimen Kanzleiratstil steigern und so schöne Sätze schreiben wie:
    »Diejenigen Personen, welche die Absicht haben, die militärische Laufbahn einzuschlagen, haben ihrerseits die Verpflichtung, sich als solche unverzüglich in den Besitz eines Gewehres zu setzen. Letzteres muss von denselben unter Zuhilfenahme einer schwerwiegenden Kugel vermittelst Pulver zur Ladung gebracht werden.«
    Wie viel klarer und unmissverständlicher ist dieser Satz als das banale: »Wer will unter die Soldaten …«„



Danke für die Aufmerksamkeit.
 
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Paul55oo

Echo-Orakel
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Wirklich alles gelesen? Respekt, habe ich nicht geschafft.
 
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Perch2711

Gast
19) Auf berlinerisch etc (kein Plan, ob man das so schreiben kann) geschriebene Sätze nerven auch einige User! Das sollte auch noch erwähnt werden.
 
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