Wenn ich mir mein Barschruten-Arsenal anschaue, gibt’s da nicht besonders viele lange Ruten. Ist auch logisch: Ich angle viel vom Boot, fische mehrheitlich Techniken, bei denen es auf eine filigrane Animation ankommt und fische auch viel mit Cast-Kombos, deren Carbon-Komponenten ja eh eher kurz ausfallen. Aber: Ich fische auch gern vom Ufer. Kürzlich war ich z.B. zwei Tage lang auf einer Buhne gestanden, um da Hechte und Zander zu fangen. Da kam es auf jeden Meter Wurfweite an. Ich hatte eine 2,40er Lesath mit einem Wurfgewicht von 14 – 42 Gramm dabei, ausgestattet mit einer mit 10er PowerPro bespulten Twinpower. Das hat größtenteils gut geklappt.

Aber die Rute hätte auch gern ein bisschen länger sein können. Denn es gibt auch heutzutage immer noch Gründe FÜR eine lange Rute – vor allem für Uferangler.
Gefräßige Steine: Mit langen Ruten kann man näher an die Steinpackungen heranfischen, ohne einen Köderverlust befürchten zu müssen. Mit einer kurzen Rute hat man einen sehr flachen Winkel und zieht die Jigs fast zwangsläufig in die Steile. Mit einer langen Rute fischt man das letzte Stück annähernd vertikal und kann so bis an die Schüttungskante heranfischen, wo nicht selten die Fische stehen. Von meinen Besuchen auf Shimano-Days und Hausmessen her weiß ich, dass spezialisierte Fachhändler mit Rheinanbindung sie z.B. sehr gut Ruten von über 4 m Länge an die Zanderangler verkaufen, die sich perfekt auf die Schüttungszander eingestellt haben. Unhandlich. Aber praktisch. Und vor allem: Fängig.
Wurfweiten-Optimierung: Zwar kommt man mit den kurzen Ruten auch recht weit heraus. Die Fisch und Fang hat in einem Wurftest mal herausgefunden, dass der Wurfweitenunterschied gar nicht so dramatisch ausfällt, wie man denkt. Doch haben die Tester mit den langen Ruten schon ein paar Meter weiter geworfen und an manchen Gewässern kommt es auf jeden gewonnenen Meter an.
Abbruchkanten-Vagabunden: In vielen Gewässern ist die Abbruchkante ein gutes Stück vom Ufer entfernt. Genau da muss der Köder hin. Denn hier halten sich oft die Beutefische auf und dann sind da auch immer wieder Räuber am Patrouillieren. Da man den Hang hoch fischt, macht sich der große Hebel einer langen Rute nicht nur beim Werfen gut, sondern auch beim Führen des Köders, den man etwas steiler abheben kann als mit einer kurzen Rute.
Besser Bissverwertung: Beim Distanzfischen kommt es mit kurzen Ruten häufiger zu Fehlbissen als mit langen Ruten. Das liegt auch wieder am Hebel. Wenn man es schafft, mit dem selben Druck anzuschlagen wie mit einem kurzen Stecken, treibt man den Haken mit der langen Rute sicherer ins Fischmaul ein als mit einer kurzen, weil die Spitze einen längeren Weg macht und man mehr Schnur bewegt.
Unzugängliche Uferstreifen: Selbst an engeren Fließgewässern kann eine lange Spinnute Sinn machen. Namentlich dann, wenn die ersten beiden Meter des Ufers selbst oder aber die ersten Meter im Wasser mit Pflanzen durchsetzt sind. Mit der langen Rute kann man den Köder dann schön am Ufer bzw. am Pflanzengürtel vorbeiziehen, während man mit einer kurzen Ruten nur diagonal auf die Pflanzen oder das Ufer zu fischen kann.
Lästiger Seitenwind beim Spundwandangeln: Um den Schnurbogen bei Seitenwind zu minimieren, kann man die Rutenspitze einer langen Rute kurz übers Wasser halten, so dass wenig Wind in die Schnur kommen kann. Das vereinfacht die Köderführung und sorgt für einen direkteren Kontakt – also auch die Bisserkennung. Ich kenne Leute, die auch mit langen Ruten wobbeln.
Distanzangeln bei Seitenwind: Wenn es windig ist und ich auf maximale Distanz angeln will, gehe ich folgendermaßen vor: Weitwurf. Schnurbogen rauskurbeln mit übers Wasser gehaltener Rutenspitze. Rolle öffnen und in dem Maß Schnur geben, wie sie sich der absinkende Jigkopf nimmt. Rolle schließen. Kontakt aufnehmen. Loslegen. Mit einer langen Rute geht das über all da besser, wo man nicht auf Wasserebene steht, sondern erhöht. Also zum Beispiel auf Buhnen.
Köderpräsentation beim Distanz-Dropshotten: Durch eine lange Rute kann man nicht nur den Winkel von Schnur zu Grund ein bisschen steiler machen – man kann auch längere Vorfächer fischen und den Köder so etwas weiter vom Grund weghalten. Man muss sich im klaren sein, dass man mit einer kurzen Rute auf Distanz nicht besonders hoch über Grund fischt. Das ist gut, wenn die Fische am Boden kleben, schlecht wenn sie aktiv über dem Grund herumschwirren oder wenn Kraut am Grund ist.
Vereinfachtes Strömungsangeln: Beim Angeln in relativ starker Strömung reicht es oft, den Köder einfach anzuheben und von der Strömung versetzen zu lassen. (So nimmt der Köder den natürlichen Weg und landet irgendwann an der Strömungskante.) Das kann man mit kurzen Sprüngen über die Rolle machen. Mit einer langen Rute aber kann man den Köder anlupfen, ohne ihn heranzuholen. So fischt später eine längere Strecke der Strömungskante ab, wo ja oft die Fische stehen.
Einsaug-Support: Es gibt Leute, die auf brettharte Zanderruten stehen und vermitteln, dass diese die Fische fast von selbst anschlagen und man den Haken mit einem Brett besser eintreiben kann, wenn sie es nicht tun. Man schlägt also quasi prophylaktisch an. Das ist die eine Wahrheit. Die andere Theorie ist, dass eine etwas weichere Spitze das Einsaugen unterstützt – zumindest bei gespannter Schnur. Fakt ist: Ruten über 3 m Länge sind in den seltensten Fällen richtige Bretter. Die Spitze geht da meistens ein bisschen mit. Das freut zumindest die Einsaug-Theoretiker.
Ist ja klar, dass der Teamangler noch einen Rutentipp mit ranhängt. Und zwar geht’s um die:
Dialuna S 100 MH
Länge: 3,05 m
Wurfgewicht: 10 – 50 Gramm
Gewicht: 170 Gramm
Mit einem Gewicht von 170 Gramm auf 305 Zentimetern ist die längste Dialuna ein Leichtgewicht unter en langen Spinnruten. Im Shimano-Katalog wird die ursprünglich zum Wolfsbarschangeln konzipierte Rute unter den Salzwasserruten geführt. Aber: Wer einen Wolfsbarsch nageln kann, bekommt den Jig auch im Zandermaul versenkt. Ich habe bereut, sie nicht mit nach Holland genommen zu haben. Im ersten Test hat sie zwischen 5 und 10 m weiter geworfen als die oben angesprochene Lesath. Damit wäre ich auf der Holland-Buhne mit jedem Wurf in den heißen Bereich vorgedrungen (war wirklich auf maximaler Wurfweite – die Packung an der nächsten Buhne einer Hafeneinfahrt) und hätte die Schnur problemfreier aus dem Wind nehmen können. Beim Testfischen hat sie nicht nur durch die Wurfweite überzeugt, sondern auch durch die Bissübertragung.

Und vor allem: Es ist für mich total ungewohnt, derart lange Ruten zu fischen, weil ich ja viel vom Boot aus angle. Dafür hat sich das recht komfortabel angefühlt. Kann man auf jeden Fall machen, wenn es praktisch ist. Sehr schicke Rute auch. Spiral X- und Hi Power X-Blank. Klassisch. Schlanker Moosgummi-Griff. Ich hätte sie nicht ausgewählt, wenn ich nicht das Potenzial gesehen hätte, dass sie überzeugt. Und drei Zander hat sie auch gefangen beim ersten Test. Das ist ja auch immer ein gutes Zeichen.