Fangberichte Die Taufe des dieteles


Man sagt, dass der homo sapiens seinen Fernseher nur deshalb erfunden habe, weil ihm das Flackern des Feuers in seiner Behausung gefehlt hat. Schließlich konnte er beim Feuer die letzten 200000 Jahren nach getaner Jagd so richtig schön entspannen. Ich hab festgestellt, dass es eine ganz besondere Magie hat, im Kreise guter Leute ein Feuer zu teilen. Man kommt zusammen und irgendwann packt der erste ein kleine Geschichte aus, dann der nächste…usw. (im Prinzip wie Fernsehen, nur besser…). Sollte ich mal wieder ein Feuer machen, dann bekommt die Geschichte von meiner ersten Internetbekanntschaft ganz sicher einen Extraplatz.


Oder die, wie ich mal den Beruf des Angelguides ausübte und gleich wieder aufgab. Lagerfeuerträchtig ganz sicher auch die Geschichte von der Taufe des dieteles. Da das Internet das Lagerfeuermedium der Zukunft ist, gebe ich an dieser Stelle eine von jenen erlebten Geschichten zum besten, oder aber alle drei…. den es handelt sich im Grunde genommen um ein und die selbe Begebenheit und diese trug sich letztes Wochenende
zu. Schließt die Augen und stellt euch vor, ihr seid am Meer. Die Brandung rauscht. Ihr steht mit schlechtem Gewissen seit Stunden in einer eiskalten Wathose und nichts beißt…


Genauso ging es mir. Das wäre halb so wild gewesen, wenn neben mir nicht Felix und der dietel höchstpersönlich in ihrer salzwasserresistenten Berufsbekleidung gestanden hätten. Psssst… Ja, ihr habt richtig gehört. dietelapst Johannes der 1. war angereist und stand direkt mir. Nachdem er das Wasser nun aber schon 2 Stunden lang vergeblich mit seiner
Blinkerkollektion durchsiebt hatte, war es beunruhigend still um ihn geworden.



Ich hatte mich ihm gegenüber am Telefon zu einer Fischgarantie hinreißen lassen. Als Fischguide sollte man sich bezüglich einer derartigen Garantie jedoch allerhöchstens auf wage Antdeutungen beschränken. Das lernte ich leider erst jetzt wo es zu spät war und wir in mitten einer hartnäckigen Beissflaute steckten. Ich hätte ihm jetzt gern ein paar aufmunternde Worte zugeworfen, aber was will man sagen wenn einem die Erklärung fehlt?


Wie der dietel dazu kommt, neben mir in der Ostsee zu stehen, wollt ihr wissen? Gute Zwischenfrage! Also: Angefangen hat alles mit einer netten kleinen Internetbekanntschaft. Meine erste übrigens !!! Mit nunmehr über tausend anderen Fischinfinzierten tummele ich mich von Zeit zu Zeit auf dieser Website “barsch-alarm“. Eines Tages hatte ich aus einer Laune heraus beschlossen, selbst mal etwas für barsch-alarm zu schreiben, ohne damit zu rechnen, dass es veröffentlicht würde. Es ging damals um Tigerfische, und da ich zu tappig war mich selber als Mitglied anzumelden, taufte mich der “dietel” mit allen Weihen und Würden auf den Namen “Tiger”. (Ich bin also weder verwandt noch verschwägert mit Tiger Woods oder mit dem Boxer.) Schon damals waren wir uns einig, dass es nicht bei einer Internetbeziehung bleiben sollte, sondern dass wir uns dringend mal kennen lernen müssten. Wir wollten es gemeinsam versuchen… und zwar auf Dorsch.


Natürlich hatten wir beide, als wir vom “Dorsch” sprachen, eigentlich die Meerforelle im Auge, aber unsere Beziehung war noch zu frisch, um gleich den Griff nach den Sternen zu wagen.
Vollmundig und in Vorfreude auf das gemeinsame Treffen kündigte ich gegenüber Johannes dann auch gleich jene verhängnisvolle “Fischgarantie” an, wegen der ich dann trotz des kalten Wetter’s zunehmend ins Schwitzen geraten bin.



Ich muss hier zu meiner Rechtfertigung einwerfen, dass der Wetterbericht noch am Anfang der Woche von einem West- bzw. Südwestwind orakelte. Und ein solcher verheißt hier oben an der Küste eigentlich regelmäßig gute Fangaussichten. Doch wehte am Angeltag eine glatte Beißflaute aus Südost. Zwar kamen wir so in den Genuss einer fast spiegelglatten See, doch schwanden meine Hoffnungen auf den großen Fang mit jedem weiteren Wurf. Zu allem Überfluss war das Wasser auch noch so trübe, dass ich mir beim besten Willen nicht vorstellen konnte, wie die Fische in der Brühe den Köder erkennen sollten. Normalerweise ist das Wasser so klar, dass ich sogar darauf verzichte mit der Wathose rein zu gehen, weil ich befürchte, dass die extrem scheuen Meerforellen meine grünen Treter schon meterweit erkennen könnten. Damals musste man allerhöchstens befürchten, dass einem in dem trüben Wasser die Forellen gegen die Wathose schwimmen würden. Unter Wasser herrschte dichter Nebel mit Sichtweiten unter 5 cm (am Lagerfeuer neigt man zu Übertreibungen). So standen wir also da und fischten buchstäblich im Trüben.



Die Bedingungen konnten schlechter nicht sein, aber das teilte ich meinen beiden Angelkollegen als verantwortungsbewusster Fischguide natürlich nicht mit, damit sie den Mut nicht verlieren würden. Und die alte Regel, dass man den Angeltag nicht vor dem Abend verfluchen sollte, gilt mehr denn je hier oben an der Ostsee. Oft üben sich die Dorsche den ganzen Tag über in vornehmer Zurückhaltung, um dann kurz vor dem Eintreffen der Dunkelheit in einen wahren Fressrausch zu verfallen. Ich vertröstete mich also, und damit auch meine Gäste auf den bald anbrechenden Abend.


Johannes war es aus Gründen die ich noch erzählen werde, inzwischen doch etwas zu kalt geworden und er verließden Strand, um sich im Auto etwas aufzuwärmen. An dieser Stelle noch mal den allergrößten Respekt, dass er überhaupt so lange durchgehalten hatte. Der dietel hatte nämlich zuvor, …aber das bleibt jetzt hier unter uns am Lagerfeuer… seine ganz persönliche Papsttaufe erlebt.


Es erwischte ihn eiskalt und ich meine, dass seit unserer Ankunft am Strand noch keine fünf Minuten vergangen waren. Er stand bis zum Bauch im Wasser und schoss die ersten Photos die ihr zu der Geschichte bewundern könnt.



Ich drehte mich gerade um, um noch mal photogen ins Objektiv zu grinsen, da sah ich wie der dietel bis zum Hals im Wasser lag und Richtung Land paddelte. Ich wunderte mich noch darüber, dass er offensichtlich den direkten Kontakt zum Wasser suchte bzw. bei dem trüben Wasser ein paar Unterwasseraufnahmen machen wollte, doch dann erkannte ich, dass es wohl doch kein Spaß war. Alles was noch aus dem Wasser rausguckte waren Kopf und Kamera. Der Rest war unter Wasser und versuchte wild gestikulierend und strampelnd Grundkontakt zu kriegen.


Mir lief es in Gedanken – und Johannes zu diesem Zeitpunkt sicherlich sehr real – eiskalt den Rücken runter. Zur Erinnerung, es war Januar! Mit der Wathose in die Ostsee zu fallen, das weiß ich leider aus eigener Erfahrung, gehört zu den unangenehmsten Erfahrungen die das Angeln auf diesem Planeten mit sich bringen kann. Für Außenstehende sieht das ganze zumeist höchst amüsant aus, weil man dabei den Eindruck der Lächerlichkeit zwangsläufig nicht vermeiden kann. Das Opfer sieht dann in etwa so unbeholfen aus, wie ein Bernhardinerwelpe bei den ersten Schwimmversuchen. Entgegen diesem äußeren Eindruck jedoch nahmen derartige Vorstellungen oft genug schon ein tragisches Ende. Das wirklich Fiese an einem Tauchgang mit Wathose ist, dass das Neopren sehr viel Auftrieb hat, während man mit dem neoprenfreien Oberteil nach unten gezogen wird. Der Betroffene kriegt die Beine nicht mehr auf den Boden und läuft unter Umständen Gefahr, im hüfttiefen Wasser zu ersaufen. Ich konnte mich dabei in der Vergangenheit eigentlich immer auf meine Rute verlassen, mit deren Hilfe ich mich wieder aufrichten konnte, doch Hannes hatte nur den Photoapparat dabei, und diesen hielt er auch noch weit aus dem Wasser raus. Ich glaub, der Photoapparat war am Ende das Einzige an Johannes, das noch  trocken war.


Jetzt lese ich vor meinem geistigen Auge schon die wütenden Kommentare im Forum, die mir vorwerfen, dass ich den Kollegen in dieser gemeinen Situation im Stich gelassen hätte. Aber es ging alles zu schnell. Bevor ich den Mund wieder zukriegen konnte, war der Papst schon wieder von selbst aus dem salzigen Taufbecken gekrabbelt. Ein paar Spaziergänger standen am Strand und staunten nicht schlecht, als sich Johannes triefend aus der kalten Ostsee schleppte.



Dass die Typen, die mit der Angel in der Ostsee stehen einen Schuss haben, hatten die normalen Spaziergänger wahrscheinlich schon immer geahnt. Dass die aber selbst im Januar von Zeit zu Zeit gern mit voller Montur baden gehen, sich danach einmal abschütteln, wieder die Rute nehmen und weiterangeln als ob nichts gewesen wäre, überstieg sicherlich auch die Vorstellungskraft des anwesenden Strandpublikums. Kopfschüttelnd gingen sie weiter, während wir uns wieder zu dritt auf das wirklich Wichtige konzentrierten: den Fisch.



Es wurde langsam dunkel und ich erwartete jetzt mit jedem Wurf die Entscheidung. Wenn es in der nächsten Viertelstunde nichts mit dem Fisch würde, dann müsste der Papst heute ohne Fisch, dafür aber mit nassen Klamotten nach Hause fahren. Doch dann die Erlösung. Felix, der direkt neben mir stand, stemmte sich gegen seine gebogene Rute. “Es fühlt sich an wie ein Hänger”, rief er mir zu, “ aber der Hänger kommt dichter”. Ich antwortete ihm als ein dankbarer und hoffender Fischguide, dessen Stoßgebete endlich erhört worden waren: “Hier gibt es nur zwei Sachen, Steine und Fische. Die Steine rühren sich keinen Zentimeter und alles andere was dichter kommt, íst dann ganz sicher ein Fisch. Diese hängen zwar die ersten Meter dran wie ein nasser Sack Kartoffeln, geben dann aber im Endspurt richtig Gas, wenn sie merken, dass sie ins Flachwasser gezogen werden.” Felix drillte den Dorsch bis in die Schwanzflossenspitze aus und strapazierte damit gehörig meine Nerven. Ein Fischverlust war das letzte was ich jetzt noch gebrauchen konnte.




Fünf Minuten Später verfing sich ein weitaus kleinerer Dorsch an meiner Angel. Wahrscheinlich hatte er im trüben Wasser den Blinker zu spät kommen sehen und konnte nicht mehr rechtzeitig ausweichen. Alles in allem blieb der Angelerfolg damit unter dem Durchschnitt.



In der einbrechenden Dunkelheit entfachten wir ein Lagerfeuer, welches neben seinen bekanntlich wärmenden und geschichtenfördernden Eigenschaften unter anderem den Vorzug hat, dass in seinem Licht die gefangenen Fische meist doch noch etwas größer werden als sie eigentlich waren.



Für mich faste ich den Abend in drei neuen Erfahrungen zusammen.
1. Fischguide ist nichts für mich. 2. Die Ostsee ist im Januar mindestens 20 Grad zu kalt 3. Wenn der Papst nur halb so nett ist wie Felix und der dietel Johannes, dann trete ich der Kirche bei.

P
war wieder sehr unterhaltsam tiger und sehr nett geschrieben. Versuchs doch mal als Angelgeschichtenerzähler.
F
So verrückt sind wir Angler eben, jedenfalls viele, Johannes sowieso und ich auch ! Lasst doch die Spaziergänger denken was sie wollen. Wahrscheinlich werden sie es nie begreifen, aber man selber vergisst solche Tage nie! Ich hoffe natürlich, die Situation war nicht zu kritisch Johannes !?<br />
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Gruß Franki
D
bin fit und munter :-D
F
Ententeich-Wetter und ihr spielt in "Gummihosen" und wollt Dorsche fangen. bei solch einem Wetter und dieser Jahreszeit solltet Ihr wirklich das Bellyboat benutzen und die Dorsche rennen euch schon ab 100m vom Strand regelrecht um!
R
Das stimmt! Teilweise ist man mit dem Boot fast in Wurfweite der Uferangler und es gibt Biß auf Biß... <br />
Aber Vorsicht bei ablandigem Wind - da verschätzt man sich mal schnell.
R